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Reifezeit: Wie Konflikte entstehen

Konflikte lassen sich nicht dauerhaft ignorieren, das liegt in der Natur der Sache und verschwinden, verschwinden tun sie von alleine auch nicht. Konflikte zu klären kostet Kraft, Zeit und Geld. Sie zu ignorieren kostet Chancen, Lebensfreude und Lebenszeit. Und all zu oft noch deutlich mehr … Wie aber entstehen Konflikte eigentlich und was kann Konfliktmoderation zu ihrer Lösung beitragen?

In aller Regel haben Konflikte eine Historie, die Sache „schaukelt sich hoch“, es wird mit der Zeit „immer schlimmer“ … Friedrich Glasl hat diesen Prozess als „Treppe in den Abgrund“ bezeichnet und in neuen Stufen unterteilt.

Die Beziehung zwischen den Konfliktparteien verhärtet und führt über das „Abreißen“ der Beziehung und die Unfähigkeit noch konstruktiv miteinander umzugehen bis zum Willen den anderen zu vernichten und sei es um den Preis, der eigenen Existenz.

Die „Treppe in den Abgrund“ (vgl. Glasl, Konfliktmanagement)


Die Beziehung zwischen den Konfliktparteien verhärtet und führt über das „Abreißen“ der Beziehung und die Unfähigkeit noch konstruktiv miteinander umzugehen bis zum Willen den anderen zu vernichten und sei es um den Preis, der eigenen Existenz.

Auch wenn man den Faden nicht ganz so fein spinnt neun Eskalationsstufen zu unterscheiden und von spontanen Stressreaktionen nach dem „Strickmuster“ Autofahrer A beschimpft Autofahrer B, weil dieser ihm den Parkplatz weggeschnappt hat, absieht, bleibt die Tatsache, dass Konflikte nicht im Augenblick entstehen, sondern eine Historie haben. Es kam „irgendwie“, niemand weiß konkret zu sagen, wie genau das entstanden ist, was jetzt ist und wenn, dann ist es eine höchst subjektive Sicht der Dinge. Es wird immer eine Diskussion darüber geben können, ob nun die Henne zuerst war, oder doch das Ei.

Für die Konfliktklärung ergibt es daher weder Sinn, noch ist es erforderlich, diese Historie, wie Perlen auf der Schnur, aufzureihen. Wichtig ist einzig, zu wissen, ob mit einer Intervention durch einen (externen) Moderator mit Kanonen auf Spatzen geschossen würde oder, im anderen Extrem, die Situation schon derart verfahren ist, dass man keinen Blumentopf mehr gewinnen kann oder die Situation „irgendwo dazwischen“ angesiedelt ist und ein Versuch zur Klärung angezeigt ist.

Zur Orientierung für die Praxis der Konfliktmoderation, schlage ich ein pragmatisches, dreistufiges Modell, das „ABC-Modell der Konfliktgenese“ vor:

Stufe A: Irritation / Verärgerung

Situation: Marotten oder Typunterschiede verursachen Irritationen, die aber geschluckt werden, weil die „Beziehungs-Bilanz“ aufgeht. Die Beziehung ist unbelastet von sonstigen Stressfaktoren, wie Geldsorgen, Arbeitsüberlastung, Zeitdruck …

Missverständnisse oder Kommunikations-Tollpatschigkeiten werden durch Wohlwollen abgefedert.

Interpretation: Verletzungen durch den anderen werden als stressbedingte Fehltritte oder Handlungen aus Gedankenlosigkeit, aus Hilflosigkeit der Situation gegenüber oder Unwissenheit interpretiert.

Missklänge werden beim Kaffee oder beim sprichwörtlichen Bier angesprochen und ausgeräumt, indem man sich „ausspricht“. Oder es platzt einem der Kragen und man führt ein „Grundsatzgespräch“ …

Intervention: Das kollegiale Gespräch und das klassische Mitarbeitergespräch sind hier die adäquaten Interventionswerkzeuge. Ein Moderator/Teamcoach kann hinzugezogen werden um das Gespräch zu moderieren.

Stufe B: Verletzung

Situation: Aufgestaute „Minitraumen“  führen dazu, dass die Konfliktparteien Verletzungen der anderen Partei zulassen oder gar fördern, etwa, dass diese bei Kollegen, Vorgesetzen, Kunden … „schlecht dasteht“. Wenn der andere „sein Gesicht verliert“, so ist dies ein kleiner Sieg. Die Verletzungen werden unter den Teppich gekehrt und nicht mehr bereinigt. Die Beziehung wird schlechter, das Konfliktpotential wächst.

Interpretation: Verletzungen durch den anderen werden als Dummheit, Frechheit oder auch Rücksichtslosigkeit des anderen interpretiert. Es wird „böse Absicht“ für möglich gehalten: „So blöd kann der/die doch gar nicht sein!“

Intervention: Das offene Gespräch „unter Kollegen“ ist nicht mehr möglich. Die Situation verhärtet sich oder es werden laufend weitere Verletzungen produziert. Ein Mitarbeitergespräch bringt bestenfalls keine weitere Verschlimmerung. Ein Konfliktmoderator /Teamcoach kann das Gespräch moderieren und die Chance, dass eine Klärung gelingen kann, ist groß.

Stufe C: Hass

Situation: Verletzungen durch den anderen werden als absichtlich herbeigeführte Provokation des anderen interpretiert. Der direkte Kontakt wird vermieden. Wenn kommuniziert wird, dann über Dritte, wie Personalrat und/oder Rechtsanwalt. Die Parteien versuchen einander Schaden zuzufügen und sei es, unter Hinnahme eigener Nachteile. Ein Schaden, bei dem man selbst mit weniger Verlust herauskommt als die Gegenpartei, wird als Gewinn gewertet …

Interpretation: Die Parteien unterstellen sich Böswilligkeit. Dass die andere Seite (noch) menschliche Qualitäten haben könnte, wie die Fähigkeit Fehler einzugestehen, Fehler zu verzeihen, dem andern um des Menschseins willen mit Wohlwollen zu begegnen, ihn zu respektieren und anzunehmen … sind außerhalb der Vorstellungskraft. Man unterstellt einander, dass bei einem Treffen nur weitere Verletzungen entstehen würden, da die andere Seite zu einem konstruktiven Dialog  weder willens noch in der Lage ist.

Intervention: Ein Gespräch unter der Leitung eines  Moderators/Teamcoaches hat – so weit es überhaupt realisierbar wäre – kaum eine Chance auf eine Klärung der Situation. Allein eine Trennung der Konfliktparteien kann den „Betriebsfrieden“ wieder herstellen. Wenn nicht eine der Parteien „die Flucht ergreift“, bleibt letztlich nur ein Machteingriff, der die Trennung der Konfliktparteien zum Ziel und zur Folge hat. Für diese Konfliktparteien bedeutet dies weder Klärung noch Heilung, aber für das Team ist ein Neubeginn möglich.

Auf den Punkt gebracht:

  • Konflikte basieren auf Beziehungsverletzungen. Ohne Beziehungsverletzung kein Konflikt.

  • Die zentrale Aufgabe der Konfliktklärung kann nur darin bestehen, Heilungsraum für verletzte Beziehungsstrukturen zu schaffen.

  • Ob ein Konflikt mit den Möglichkeiten der Konfliktmoderation bearbeitet werden sollte / kann, hängt von der Tiefe der bestehenden Verletzungen ab.

Professionelle Konfliktmoderation in Anspruch zu nehmen ist nicht immer erforderlich aber meist äußerst hilfreich.

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Quelle: Josef W. Seifert, „Konfliktmoderation“, Gabal Verlag

Konfliktmoderation lernen: http://mkm-online.moderatio.com


© 2021, Josef W. Seifert, MODERATIO

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… der werfe den ersten Stein

Konflikte kennt jeder. Konflikte sind alltäglich. Konflikte sind nicht vermeidbar. Was aber ist das eigentlich, ein Konflikt?

Ist eine Meinungsverschiedenheit ein Konflikt? Haben wir also, wenn wir unterschiedliche Wertvorstellungen haben, etwa darüber, wie in unserer Organisation geführt werden soll, einen Wertekonflikt? Und einen Zielkonflikt, wenn wir unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wo wir mit unserer Organisation hin wollen? Oder einen Wegekonflikt, wenn wir uns zwar über das Ziel einig sind, nicht aber über die Strategie?

Ich meine nein, das sind Meinungsverschiedenheiten, keine Konflikte. Richtig ist, dass aus Meinungsverschiedenheiten Konflikte entstehen, und zwar immer dann, wenn die Beziehung Differenzen nicht aushält.

Ein Konflikt entsteht nicht zwangsläufig schon dann, wenn der Versuch sich auf eine gemeinsame Sichtweise darüber zu einigen, was erstrebenswert ist oder was wem zusteht etc. misslingt. Zu einem Konflikt kommt es erst, wenn emotionale Kratzer, Narben und Wunden entstehen.

Wenn wir uns nicht einig sind, wie etwas zu sehen oder zu bewerten ist, was unsoziales Verhalten ist etwa oder was ein erstrebenswertes Ziel ist, wie wir unsere knappen Ressourcen am sinnvollsten nutzen sollten usw., dann ist das nichts weiter, als ein Unterschied in Wahrnehmung und /oder Bewertung. Und: wir können trotzdem respektvoll, ja wohlwollend mit einander umgehen.

Kann ich aber dem anderen nicht mehr offen gegenüber treten, weil ich mich von ihm nicht gesehen, nicht ernst genommen, benutzt, hintergangen oder verraten fühle, dann haben wir mehr als eine unterschiedliche Sichtweise, mehr als eine Meinungsverschiedenheit. Jetzt können wir mit dem anderen nicht mehr nur über die Sache sprechen, ohne an der Wahrheit unserer Beziehung zu zweifeln, nein, jetzt zweifeln wir an der Echtheit unserer Beziehung und damit an der Aufrichtigkeit des anderen und an den Worten, die er sagt.

Wir beginnen zu glauben, dass der andere uns Böses will und die „Abwärtsspirale“ dreht sich, wir haben einen Konflikt.

Jetzt nach Ursache und Wirkung oder Schuld zu fragen, führt ins Leere. In sozialen Bezügen ist Kausalität zirkulär. Nur durch Interpunktion, wie Paul Watzlawick das nennt, kann Schuld zugewiesen werden. Interpunktion aber ist beliebig. Man könnte auch sagen:

Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!

Im Konflikt hilft nur, 1. Anzuerkennen was ist! und 2. Nach der Devise: „Probleme lösen, nicht Schuldige suchen!“ nach vorne zu schauen und den Weg zu suchen, der aus dem Dilemma herausführt.

Dazu ist nicht immer professionelle Unterstützung erforderlich aber meist doch sehr hilfreich.


Quelle: Josef W. Seifert, Konfliktmoderation, Gabal Verlag

By the way: Wir bieten zu diesem Themenkomplex eine 3x3kompakt®
Ausbildung zum/zur MODERATIO KonfliktModeratorIn (MKM)® an.

© 2020, Josef W. Seifert, MODERATIO

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10 ungewöhnliche Tipps zur Konfliktmoderation

Wer Konflikte klären soll, möchte oder muss, sollte sich die folgenden Grundsätze zu Herzen nehmen um sich und andere nicht zu ent-täuschen:

1. Dränge Dich nicht auf!

Für einen Berater oder Moderator macht es keinen Sinn, einen Konflikt lösen zu wollen, man könnte sagen: Wenn der Therapeut engagierter ist als der Klient wird das mit der Therapie nicht funktionieren. Die Verantwortung für einen Konflikt und dessen Lösung liegt bei den Konfliktparteien. Einzige Ausnahme ist die Führungssituation, hier ist der Manager, die Führungskraft, der Projektleiter verantwortlich dafür, dass ein Konflikt gelöst wird. Ein Vorgesetzter muss sich „aufdrängen“. Es gehört zu seinen zentralen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit möglich ist. Er kann ein Konfliktgespräch im Rahmen einer Dienstbesprechung anordnen. In wieweit die beteiligten Menschen sich dann öffnen und bereit sind an einer Konfliktlösung zu arbeiten, liegt allerdings immer in deren Hand. Konfliktdialog und Konfliktlösung kann man nicht erzwingen.

2. Kläre Deine Rolle!

Für eine Konfliktbearbeitung ist die erste Frage die, ob es darum geht zu mediieren oder zu moderieren. Im einen Fall ist der Konflikt benannt und soll/kann nicht gelöst werden es geht jetzt darum die Sachfragen zu bearbeiten, die für eine Trennung zu klären sind. Das Stichwort dafür heißt „Verhandeln“, meist nach dem Harvard-Konzept. Im Falle einer Konfliktmoderation ist noch völlig offen, was ist und was werden soll. Es geht darum, zu klären worin der Konflikt besteht und darum, ob eine Lösung möglich ist und wie diese aussehen könnte.

3. Strebe keine Lösung an!

Gehen Sie davon aus, dass Sie als ModeratorIn weder den Konflikt lösen können noch lösen müssen. Ein Konflikt kann nur von den Konfliktparteien gelöst werden. Sie können lediglich Hilfestellung dafür leisten. Eine Konfliktlösung ist ein Abfallprodukt einer guten Konfliktklärung. Das Ziel einer Konfliktmoderation ist daher die Klärung der Situation: Was ist eigentlich los bei uns, worin konkret besteht der Konflikt?

4. Konzentriere Dich nicht auf die Vergangenheit!

Meist ist die Idee für eine Konfliktklärung die, das Rad irgendwie zurückzudrehen, so dass es „so wird, wie es mal war“. Es wird aber nie mehr so sein, wie es einmal war; bekanntermaßen kann man nur einmal in denselben Fluss steigen, so ein chinesisches Sprichwort. Ziel einer Konfliktmoderation kann es daher immer nur sein, eine mögliche Zukunft zu entwerfen. Und: Häufig kann ein Konflikt nur durch Trennung beendet werden. Die Suche nach „den“ Ursachen oder „dem“ Schuldigen führt in eine „Was war erst, die Henne oder das Ei – Diskussion“. Gehen Sie davon aus, dass Ursachen in sozialen Systemen zirkulär sind und die Frage nach der Schuld sinnlos ist.

5. Sei nicht neutral!

Nur wenn Sie nicht als Partei wahrgenommen werden, können Sie die Akzeptanz beider Seiten bekommen und bewahren. Trotzdem ist es erforderlich Fürsprecher sowohl der einen als auch der anderen Seite zu sein, aber eben beider Seiten. Nur dadurch ist es möglich maximal hilfreich zu sein und dennoch unparteiisch zu bleiben. Helfen Sie den Menschen, sich gegenseitig besser zu verstehen und das auf Gegenseitigkeit.

6. Glaube nicht, was Du hörst!

Seien Sie sich stets dessen bewusst dass das, was Peter über Paul sagt, mehr über Peter sagt, als über Paul und niemals „die Wahrheit“ ist. Wenn jemand etwas über jemanden anderen sagt ist die Frage stets: „Wieso sagt er/sie das ausgerechnet jetzt, auf gerade diese Art und Weise und wieso zu mir? Was will der Sprecher damit erreichen?“ Behandeln Sie Aussagen immer als mögliche Sicht der Dinge, niemals aber als Tatsachen.

7. Suche die Lösung nicht in der Sache!

Man kann über einen Sachverhalt unterschiedlicher Meinung sein. Man kann über das Ziel streiten und über die Strategie, über Mittel und Wege und darüber, ob eine Investition sinnvoll ist oder nicht. Die Frage ist einzig und allein die, ob man es zulassen kann, unterschiedlicher Meinung zu sein. Sobald der Streit über die Sache die Beziehung in Frage stellt, ist ein Konflikt entstanden – nur dann! Anders ausgedrückt könnte man sagen: Wenn die Beziehung stimmt, ist (fast) alles möglich, wenn die Beziehung nicht stimmt, ist (fast) nichts möglich.

8. Bestehe nicht auf Vereinbarungen!

Wenn ein Konflikt sich löst, hat das meist damit zu tun, dass seelische Kratzer, Narben und Wunden verheilen. Häufig ist es nicht erforderlich und/oder möglich, Maßnahmen zu vereinbaren. Wenn (mehr) Verständnis für einander entsteht und der Wille für ein neues/anderes Miteinander bekundet wird, lässt sich das in aller Regel nicht oder nur unzureichend in Maßnahmen abbilden. Was sich schriftlich fixieren lässt, damit es nicht vergessen wird, sollte natürlich unbedingt als „Vereinbarung“ oder „Maßnahme“ notiert werden.

9. Inszeniere keinen positiven Abschluss!

Ein Konflikt ist ein Konflikt, ist ein Konflikt, ist ein Konflikt. Auch wenn es am Ende einer Konfliktmoderation nach einer Lösung aussieht, sind Worte wie „Ich freue mich, dass …“ oder „Ich hoffe, dass …“ wenig hilfreich. Ob das neue Verständnis füreinander, der Wille zu einem besseren Miteinander, die getroffene Vereinbarung hält, wird die Zukunft zeigen. Am Ende einer Konfliktklärung ist eine kurze Relfexion der gemeinsam verbrachten Zeit und ein ehrlicher Dank an die Beteiligten angemessen und ausreichend.

10. Verzichte auf Nachsorge!

Die Verantwortung für den Konflikt und dessen Lösung liegt allein bei den Konfliktparteien. Man kann als ModeratorIn im Nachhinein nichts reparieren. Auch Nachfragen befördern keine Besserung. Wenn die Konfliktparteien erneut Hilfe wünschen und Vertrauen zu Ihnen und Ihren Fähigkeiten entstanden ist, werden sie sich melden – garantiert.

 


© 2018, MODERATIO