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Die Sache mit dem Selbstwert

Es scheint ein Bedürfnis zu geben, das Abraham Maslow in seiner Bedürfnispyramide zu erwähnen vergessen hat, ein Bedürfnis nach „Ich-lass-die-anderen-alt-aussehen“. Und: Dieses Bestreben hat nach oben keine Grenze. Je weiter die anderen zurückbleiben, desto besser, je größer der Abstand, desto überlegener fühlt sich der, der „oben“ ist. Das gilt freilich für den einen mehr und für die anderen weniger doch jeder kennt dieses Gefühl. Der kleine Bruder dieses Bedürfnisses, dem wir in jeder Moderation begegnen, ist das „recht haben müssen“. Bleibt die Frage, wozu das gut sein soll: Wieso eigentlich geben wir uns so viel Mühe andere zu beeindrucken? Wieso wollen wir recht haben? Woher kommt das? Eine individualpsychologische Erklärung:

Der Mensch kommt als absolut unschuldiges, lebensbejahendes, völlig schutzloses, auf Überleben programmiertes Wesen auf die Welt. Er braucht von Anfang an Nahrung und Pflege, Wärme und Zuwendung kurz: „die Andern“. Im Laufe des Heranwachsens erlebt der kleine Mensch, dass diese andern, in der Regel die Eltern, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, scheinbar „alles können“, „alles wissen“ und „alles dürfen“. Er erlebt sich selbst zwangsläufig als klein und abhängig, wenig/er potent und wenig/er wert. Dieses Erleben des eigenen Unvermögens, der eigenen „Minderwertigkeit“ und der Abhängigkeit vom Wohlwollen der andern gräbt sich so tief in sein Gedächtnis und in seine Seele, dass es nie mehr völlig verblassen wird.

Ganz im Gegenteil, der Mensch wird lebenslang „erzogen“. Zeigen ihm zunächst die Eltern was er noch nicht (gut genug) kann und in welcher Hinsicht er noch nicht genügt, verstärken dieses Gefühl der Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit die Erzieher und Lehrer, die Vorgesetzten und Chefs… Die Werbung tut ihr übriges, indem sie den Menschen erklärt, was sie alles machen und haben müssen, um „richtig“ zu sein… die Medien präsentieren im Dauerfeuer Vorbilder, die vermeintlich alles richtig machen und zum Maßstab werden, für das was man können und haben sollte, um liebenswert zu sein: Schneller, höher, weiter… und der einzelne bleibt zwangsläufig immer hinter den hochstilisierten Ansprüchen zurück…

Wieso aber werden wir lebenslang auf vermeintliche Defizite, auf Schwächen und Fehler hingewiesen und dadurch geschwächt? Wieso werden nicht unsere Stärken anerkannt und dick gelobt? Wieso stärken wir einander nicht, anstatt uns zu schwächen? Es möchte doch jeder gesehen, anerkannt, gelobt werden.

Das Problem an der Sache ist, dass das Ganze ein Vicious Circle, ein Teufelskreis ist: Nur wer hat, kann geben. Da wir, wie oben skizziert, von Kindesbeinen an, – der eine mehr, die andere weniger – mit Anerkennung chronisch unterversorgt sind, sind wir mit unserem Selbstwertkonto im Minus. Dadurch entsteht letztendlich das Dilemma dass alle, die auf Defizite hinweisen, davon profitieren. Kritik stellt einen Unterschied her, der eine hat recht, die andere nicht. Sich im Recht zu wähnen, erzeugt ein Gefühl von Überlegenheit, jede Kritik, ist sozusagen „Futter“ für das eigene Selbstwertgefühl. Je weniger Bestätigung jemand außen bekommt, desto entschiedener wird dessen Kritik an anderen.

In einem Gespräch, einer Auseinandersetzung, einer Diskussion Recht zu bekommen hat daher einen hohen Belohnungswert. Das gilt natürlich auch im Rahmen eines Meetings, eines Workshops oder einer Online-Diskussion.

Als Moderatorin, Facilitator oder Leiter eines Gruppendialogs ist man deshalb gut beraten, neben der inhaltlichen Sachebene, auch die emotionale Beziehungsebene dahingehend „auf dem Radar“ zu haben, dass man sich fragt, ob jemand der (sehr) emotional und/oder kompromisslos argumentiert, gerade einen „Selbstwert-Sieg“ braucht. Es geht also darum zu erkennen, ob jemand gerade Recht bekommen „muss“, weil das Selbstwertkonto sonst zu sehr ins Minus rutscht.

Hat der Moderator diesen Eindruck, kann er etwa das Selbstwertkonto dadurch bedienen, dass er die Argumentation, den geäußerten Gedankengang, das Einbringen der Perspektive und/oder das große Engagement, explizit anerkennt – und so auf das „Selbstwertkonto“ einzahlt – ohne in der Sache Stellung zu beziehen.

Gemäß dem Motto „Nur wer hat, kann geben.“, vergrößert man so, durch moderatorisches Geschick, die Chance, eine größere Offenheit in der Sache zu erreichen.

Recht haben zu wollen sollte also nicht als Dummheit, Sturheit oder Böswilligkeit gewertet werden, sondern als das was es ist nämlich, ein Versuch auf das chronisch unterversorgte „Selbstwertkonto“ einzuzahlen.

Was Peter über Paul sagt,
hat oft mehr mit Peter zu tun,
als mit Paul.

Die Grundhaltung des Moderators ist – nicht zuletzt, weil er um diese „Mechanik“ weiß – von Respekt und Wohlwollen geprägt. Die Idee ist dabei die, „ganz nebenbei“ eine Gesprächskultur der gegenseitigen Wertschätzung zu etablieren, wie sie in der Geschichte von Himmel und Hölle meisterhaft versinnbildlicht ist:

Himmel und Hölle [Quelle unbekannt]

Ein Rabbi kommt zu Gott: „Herr, ich möchte die Hölle sehen und auch den Himmel.“ – „Nimm Elia als Führer“, spricht der Schöpfer, „er wird dir beides zeigen.“ Der Prophet nimmt den Rabbi bei der Hand.

Er führt ihn in einen großen Raum. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf Aber die Menschen sehen mager aus, blass, elend. Kein Wunder: Ihre Löffel sind zu lang. Sie können sie nicht zum Munde führen.Das herrliche Essen ist nicht zu genießen.

Die beiden gehen hinaus: „Welch seltsamer Raum war das?“ fragt der Rabbi den Propheten. „Die Hölle“, lautet die Antwort.

Sie betreten einen zweiten Raum. Alles genau wie im ersten. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf.

Aber – ein Unterschied zu dem ersten Raum: Diese Menschen sehen gesund aus, gut genährt, glücklich. „Wie kommt das?“ Der Rabbi schaut genau hin. Da sieht er den Grund: Diese Menschen schieben sich die Löffel gegenseitig in den Mund. Sie geben einander zu essen.

Da weiß der Rabbi, wo er ist.

 

Ihr /Euer /Dein
josef w. seifert

© 2022 – Vorab, aus: Josef W. Seifert, Moderation und Kommunikation, Gabal Verlag, Offenbach 2023

Wie halten Sie es mit der Haltung?

In Anlehnung an Paul Watzlawick und dessen Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“, könnte man postulieren: „Man kann nicht keine Haltung einnehmen!“ Soweit, so einleuchtend. Nur, wozu ist das wichtig?

Ohne Haltung geht es nicht

Wenn wir BusinessModeration und systemische Organisationsberatung, als „Prozessgestaltung mittels Kommunikation“ definieren, und nichts anderes ist es, dann bedeutet dies, dass die Haltung des Moderators* ein zentrales Element von Prozessberatung ist. Daneben oder „darüber“ liegt das, durch die zugrundeliegende Haltung determinierte, beobachtbare Verhalten, das auf das jeweilige Gegenüber wirkt. Unsere Haltung ist also zentraler Erfolgsfaktor in Moderation und Beratung. 

Unsere Haltung prägt unsere Wahrnehmungsfilter, unsere individuelle Art und Weise, wahrzunehmen, einzuordnen und zu bewerten. Wir konstruieren uns auf dieser Basis unsere Wirklichkeit, die auf unsere Haltung zurückwirkt. Insofern kann man sagen, Haltung ist zirkulär und nicht zuletzt deshalb, sehr stabil.

Stabil ist dabei vor allem unsere Grundhaltung, unsere Grundgestimmtheit dem Leben gegenüber, geprägt aus einer Vielzahl von Erfahrungen, die das (ungeborene) Kind gemacht hat, bis zum Hier und Jetzt. Man könnte auch sagen: Haltung ist geronnene Erfahrung. Wir (glauben immer mehr zu) wissen wie „es ist“, unser Haltung gibt uns Halt. Sie verfestigt sich zum Charakter. 

Haltung ist geronnene Erfahrung

Haltung braucht dabei immer einen Gegenpool, Haltung ohne Gegenüber ist, wie Klatschen mit einer Hand. Haltung ist dual. Wir nehmen eine bestimmte Haltung gegenüber dem Leben an sich ein, einem konkreten Sachverhalt, einer aktuellen Situation oder einer Person. Tritt eine neue „Sache“ auf, nehmen wir innerlich dazu Stellung, entwickeln diesem Phänomen gegenüber eine Einstellung, eine innere Haltung. Aus dieser emotionalen und rationalen „Heimat“ heraus, können wir dann unseren Standpunkt formulieren und uns mit anderen auseinandersetzen.

Um kommunizieren zu können, brauchen wir eine Haltung zu dem jeweiligen Inhalt, um den es geht. In aller Regel haben wir diese. Im Bereich der BusinessModeration und der systemischen Prozessberatung ist die Ausnahme zu dieser Regel allerdings die Regel. Ganz im Gegensatz zum Bereich der Fachberatung, wo eine Expertise zum jeweiligen Thema vorhanden sein muss, ist dies im Falle der Prozessberatung  eher erschwerend. Wieso ist das so?

Experten- und Prozessberatung

Bei Expertenberatung handelt es sich um die Art von Beratung, bei der die Betroffenen ihr Problem an einen Berater (oder eine Beratergruppe) mit dem Auftrag übertragen, das Problem zu lösen oder zumindest ganz konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Das klassische Beispiel dafür ist die Expertise, das Gutachten eines Experten, etwa zur Echtheit eines Kunstwerkes. Auch die Beratung zur Anschaffung einer technischen Anlage und die Finanz- und Steuerberatung gehören hierzu. Die beteiligten Personen stehen sich in einer komplementären Haltung gegenüber. 

Bei Prozessberatung hingegen geht es darum, dem Gegenüber zu helfen, sein Problem selbst zu lösen. Das Problem wechselt in diesem Fall den Besitzer nicht. Vielmehr geht es darum, den Prozess der Problemlösung zu gestalten. Gefragt ist nicht Fachkompetenz, sondern (vor allem) Methodenkompetenz. Die beteiligten Personen stehen sich in einer symmetrische Haltung gegenüber. 

Die Haltung in der Moderation

Da BusinessModeration (wie systemische Organisationsberatung allgemein) Hilfe zur Selbsthilfe ist, müssen BusinessModeratoren, eine inhaltlich neutrale Haltung einnehmen. Andernfalls werden sie zum Fachberater. Da man, wie eingangs erwähnt, aber nicht keine Haltung einnehmen (beziehungsweise entwickeln) kann, ist das Einnehmen dieser neutralen Haltung ein bewusstes Tun, das ein inhaltliches „Haltungsvakuum“ erzeugt. In der Praxis führt dies (bei moderationsunerfahrenen Teilnehmern) zu Verunsicherung, was sich in der Frage: „Sie haben da bestimmt mehr Erfahrung als wir, wie sehen Sie das denn?“ zeigt. Die Kunst liegt dann darin, das Vakuum durch eine spezielle Haltung, man könnte sie „fragende Haltung“ nennen, zu kompensieren. Die eigene Meinung, der eigene Standpunkt, der persönliche Eindruck, treten zugunsten einer offenen, „Neugierdehaltung“ in den Hintergrund. Im Zentrum des Interesses stehen die Haltungen der zu Moderierenden, die durch Fragen herausgearbeitet werden. Der Moderator nimmt eine „neutrale Haltung“ ein.

Je klarer die Haltung des Moderators ist, desto leichter ist die Orientierung für die Gruppe.

Wichtig ist dabei, zwischen Inhalt und Beziehung zu trennen. Während die Haltung den Inhalten gegenüber, von den Beteiligten als „neutral“ erlebt werden sollte, gilt es, den Menschen gegenüber bewusst eine „bedingungslos wertschätzende“ Haltung einzunehmen. Ziel ist es, nicht fachlich zu dominieren, sondern die beteiligten Menschen zu ermutigen und ihnen die inhaltliche Arbeit durch geeignete Kommunikations- und Moderationsmethoden zu erleichtern. Je klarer dabei die Haltung des Moderators ist, desto leichter ist die Orientierung für die Gruppe.

Ihr /Euer /Dein
Josef W. Seifert

© 2020 MODERATIO


* wenn hier von „Moderator“ oder „Berater“ die Rede ist, ist dies ausschließlich der leichteren Lesbarkeit geschuldet.

Corona Talk

Corona bewegt uns, den einen mehr, die andere weniger, niemanden gar nicht. Corona macht uns unsicher, kostet oft mehr Kraft als wir haben, saugt uns die Farbe aus dem Leben und die Liebe aus den Herzen, Corona erstickt unsere Kreativität und zerfetzt Beziehungen. Es soll nicht pathetisch klingen, aber Corona stellt neben unserem Intellekt und unserer Frustrationstoleranz vor allem, und ohne Gnade, unsere Liebesfähigkeit auf den Prüfstand. Und das sowohl privat als auch beruflich.

Das klingt im professionellen Kontext erst einmal befremdlich, doch mit Liebesfähigkeit ist hier nicht mehr und nicht weniger, als eine kompromisslos wohlwollende Haltung gemeint. Nur wenn es uns gelingt, eine Grundhaltung einzunehmen, die dieses Ideal zur Basis hat, kann es uns gelingen Gräben zu vermeiden oder gar, bereits entstandene, zuzuschütten.

Angst essen Seele auf

Corona macht Angst, versetzt Menschen in Panik. Nun kann man geteilter Meinung sein, wieviel von dieser Angst von den Medien „gemacht“ wird, wie valide die Daten sind, die die Regierung zu Maßnahmen veranlasst, die die einen für alternativlos halten, während andere die Verhältnismäßigkeit in Frage stellen. Fakt ist, es gibt einmal mehr, kaum gesichertes Wissen und das verunsichert Menschen zutiefst. Wir können evolutionsbedingt, ganz schlecht mit Unwägbarkeiten umgehen. Jeder ist – meist mehr unbewusst, als bewusst – ständig dabei, die Dinge um sich herum einzuordnen, um sich einigermaßen sicher fühlen zu können. Die Strategien der Datensammlung und Bewertung sind dabei individuell sehr unterschiedlich. Das ist im „normalen Leben“ schon schwierig genug, in Krisenzeiten aber extrem kompliziert und belastend.

Um nun auch im Krisenmodus sein Leben leben zu können, legt man sich, bewusst oder unbewusst, eine Strategie zurecht, die einem die Möglichkeit gibt, die bestehende Unsicherheit auszuhalten. Man bastelt sich eine persönliche Alltagstheorie, die die Dinge logisch einordnet und ein Gefühl gibt zu wissen, wie der Hase läuft, was richtig und was falsch ist. Wenn nun jemand gegen diese mühsam errungene, labile Sicherheit argumentiert, wird das als Bedrohung wahrgenommen, als Angriff. Je wackeliger das eigene Theoriegebäude ist, desto geringer ist die Standfestigkeit, die Frustrationstoleranz tendiert gegen Null.

Damit die eigene „Sicherheit“ nicht in Gefahr gerät, wird jede Äußerung eines anderen mit dem eigenen Meinungsseismographen gescanned und wenn die Äußerung des Gegenübers nicht der eigenen Sicht der Dinge entspricht, dann wird dieser „Angriff“ sofort abzuwehren versucht und dies gelingt im Eifer des Gefechts nicht unbedingt „gewaltfrei“. Ein friedliches, konstruktiv-lösungsorientiertes Reden darüber fällt in aller Regel schwer.

Bleibt die Frage: Wie geht man damit im Arbeitsleben um, wie kann ein Team diese Herausforderung meistern? Welche Strategien sind denkbar?

Kultur isst Strategie zum Frühstück

Für den Umgang mit der Krise, sollte ein Team eine Strategie haben um der, in weiten Teilen der Gesellschaft zu beobachtenden, Sprachlosigkeit und Verunsicherung entgegenzuwirken. Wichtig ist dabei, dass die Strategie von der Teamkultur getragen wird. Wenn die gelebte Teamkultur emotionale Nähe, Wertschätzung und Wohlwollen nicht zulässt, Meinungsvielfalt und Spannungen nicht aushält, wird eine Bewältigungsstrategie, die darauf setzt, scheitern. Die Teamstrategie muss daher für das Team – und idealerweise im Team – erfunden werden.

Die erste und vermutlich häufig gewählte Variante ist es, nach dem Motto zu verfahren: „Öffne nicht ein Fass, das du nicht öffnen musst!“. Solange das Team damit gut zurande kommt und sich keine Spannungen und Risse, Spitzen und Konflikte zeigen, die das Miteinander belasten oder gefährden, kann das so funktional sein. Die Strategie wurde dann durch Tun vorgeschlagen und nach der Regel: „Duldung wird als Zustimmung interpretiert!“ vereinbart. In aller Regel wurde dieses Verhalten nicht beschlossen, sondern ergibt sich aus der Verunsicherung „von selbst“.

Im Folgenden zwei mögliche Alternativen:

Strategie 1 „Non Talk“: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Ist Verunsicherung spürbar oder wird diese gar thematisiert, sollte das Thema aktiv angegangen werden.

Wenn die Teammitglieder versuchen, zu erspüren, wie die anderen coronamäßig „ticken“, um Verhaltenssicherheit zu gewinnen und zu wissen, wer sich vielleicht einen Austausch wünscht und wem es gar nicht recht wäre darauf angesprochen zu werden und das Klima von Unsicherheit im Umgang miteinander geprägt ist, dann sollte dies unbedingt angesprochen werden.

Um die Teammitglieder zu entlasten und den Teamspirit zu fördern, wäre es sinnvoll, diese Situation dadurch aufzulösen, dass sie im Team angesprochen wird. Ziel könnte sein, offiziell zu beschließen, Corona im Privaten zu lassen, so dass jede/r die Sicherheit hat, dass keine Stellungnahme erwartet wird und es für alle ok ist, dass man das Thema ausklammert.

Einzig die Anforderungen, die seitens Management und /oder ordnungspolitischer Entscheidungen auf das Team „durchschlagen“ sollten geklärt werden: „Wer klärt mit wem, was konkret von uns verlangt wird und wie die entsprechenden Anforderungen erfüllt werden können und erfüllt werden sollen und wie kommen diese Informationen ins Team?“

Lässt die Teamkultur Austausch zu oder fordert ihn sogar, könnte man einen moderierten „Corona-Talk“ einrichten, der Gelegenheit gibt, sich (regelmäßig) zur Thematik auszutauschen.

Strategie 2 „Corona Talk“: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold.

Soll im Team explizit über Corona, die individuelle Sicht auf die Dinge, das Miteinander im Team, über Erschwernisse, Ängste und Hoffnungen und über den Umgang damit, gesprochen werden, sollten Moderatoren / Facilitator, Regeln vereinbaren und im Dialog auf deren Einhaltung achten.

Wichtig ist dabei die Unterscheidung, zwischen der Beurteilung der Situation mit den aktuellen ordnungspolitischen Maßnahmen, die auf die Arbeitssituation des Teams mehr oder weniger stark einwirken und der persönlichen Situation, in der sich der Einzelne (ganz unabhängig von der individuellen Beurteilung) befindet. Fragen, wie die Einschätzung der Gefährlichkeit der Situation, die Bewertung der Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen, Maske, Impfung usw. sind die eine Seite der Medaille, die andere Seite ist die, wie es mir persönlich mit der Situation geht.

Ein Moderationsansatz der sich für diesen „Corona-Talk“ gut eignet ist Dynamic Facilitation. Der Kern der Methode besteht darin, dass der Facilitator, die Moderatorin, vor versammelter Mannschaft, Einzelgespräche mit den Teilnehmenden führt. Er /sie „zwingt“ dadurch die Gruppe dazu, dass jeder jedem solange zuhört, bis diese/r alles gesagt hat, was er /sie zum Thema zu sagen hat. Der Facilitator „interviewt“ dazu jeden Teilnehmer zur eingangs definierten Fragestellung. In diesem Fall müssen die Antworten nicht sichtbar gehalten werden.

Ziel ist es in diesem Falle nicht, Einigkeit darüber zu erzielen, wie dieses oder jenes zu sehen ist, Gleichklang herzustellen oder Maßnahmen zu formulieren. Sinn und Zweck ist Austausch um Unsicherheit zu minimieren, verstärktes Verständnis für einander zu schaffen um letztlich psychische und soziale Entlastung zu erreichen, den Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit zu stärken.

Der Boden aus dem ein fruchtbarer Dialog erwachsen kann, ist die eingangs erwähnte „Liebesfähigkeit“, die Haltung, die Bereitschaft also, zu absichtlich kompromisslosem Wohlwollen. Vielleicht ist ein „Corona Talk“ dann die beste Chance zur Entwicklung einer entsprechenden Grundhaltung: Kulturentwicklung by Corona!?

Ihr /Euer /Dein
Josef W. Seifert


© 2021 MODERATIO