Selbstorganisations-Prozessberatung

Wenn es um das Thema Führung geht oder um die Gestaltung von Teamarbeit, aber auch im Kontext der Businessmoderation und Facilitation, wird immer wieder die Bedeutung von Selbstorganisation betont. Was hat es damit auf sich, bedeutet das Moderation ohne Moderator oder was kann man sich darunter vorstellen?

Selbstorganisation bedeutet, dass biologische, psychische und soziale Systeme selbst Kommunikationsstrukturen bilden. Niemand gibt diese vor, das System erfindet sie selbst. So ist beispielsweise jede Organisation, jedes Team, jeder Workshop eine Mischung aus Fremdorganisation und Selbstorganisation. Beides ist für das Funktionieren der Kooperation erforderlich.

Die Regeln für das Miteinander werden vom Management, vom Teamleiter oder vom Moderator vorgegeben oder vorgeschlagen. Der Rahmen wird von außen definiert. Innerhalb dieses Rahmens entsteht die informelle Organisation, die konkrete Ausgestaltung wird ausgehandelt.

Wenn heute viel von Selbstorganisation die Rede ist, ist damit meist gemeint, dass es für die Mitverantwortungsbereitschaft des einzelnen und die Agilität der Organisation insgesamt wesentlich ist, eine Kommunikation auf Augenhöhe anzustreben und die Freiheitsgrade innerhalb des vordefinierten Rahmens möglichst groß zu halten. Und vielleicht sogar zuzulassen, dass der Rahmen selbst diskutiert und modifiziert werden kann. Je reifer die Gruppe ist, also je geübter die Menschen in Diskussion und Moderation sind, desto mehr ist möglich.

Für die Gestaltung von Workshops und Großgruppen bedeutet das, dass der Moderator oder Facilitator nach dem Grundsatz: „Mache nicht so viel wie möglich, sondern nur so viel wie nötig!“ verfahren sollte. Je geübter die Gruppe bereits mit Moderationsmethodik ist, desto weniger ist erforderlich beziehungsweise hilfreich.

Der Moderator beziehungsweise Facilitator wird so, wenn man so will, zum Selbstorganisations-Prozessberater.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress.

Die Kernkompetenz schlechthin

Wenn man die Berichte über den Zustand der Natur sieht, dann ist es bereits fünf nach zwölf, um diese und damit die Menschheit noch zu retten. Provokativ gefragt: Was kann Moderation für die Rettung der Welt leisten?

Moderation, von lateinisch „moderatio“, bedeutet dem Wortsinn nach Maßhalten, das rechte Maß aber auch Lenkung. Und das trifft den Kern. Das rechte Maß ist uns Menschen in vielen Lebensbereichen offensichtlich verloren gegangen und dieses gilt es neu zu entwickeln. Im handwerklichen Sinne steht Moderation schlicht für Gesprächsleitung. Wenn man nun bedenkt, dass unzählige Dialoge moderiert werden müssen, wenn die Menschen zum „rechten Maß“ finden sollen, dann ist Moderation die Kernkompetenz schlechthin.

Die Welt ist ja nicht in dieser schlechten Verfassung, weil jemand das so wollte. Sie ist so, weil wir Menschen die Komplexität der Realität nicht erfassen und die Konsequenzen unseres Handelns nicht zuverlässig abschätzen können. Dazu kommt die – durch unbewusstes Minderwertempfinden getriebene – Profit- und Geltungsgier einzelner, das rücksichtslose Verfolgen eigener Interessen.

Was kann Moderation leisten? Dialogfähigkeit erzeugen, Fragen stellen, Zuhören, Zusammenführen. Und das in allen gesellschaftlichen Bereichen. Bleibt zu hoffen, dass mit und durch „moderatio“, Nachhaltigkeit in der Welt noch möglich wird.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress.

Damit nicht die Lösung das Problem wird

Was hat es in der Moderation eigentlich mit der vielbeschworenen Lösungsorientierung auf sich?

Bei allem Streben nach einer Lösung für einen unbefriedigenden Zustand, darf man nicht außer acht lassen, dass jede bestehende Ordnung einen Sinn hat, oder anders ausgedrückt, einen Zweck. Jeder Zustand in einem sozialen System wird aktiv aufrechterhalten, es wird etwas dafür getan, dass es so ist wie es ist und das hat gute Gründe. Wenn sich die gegebene Ordnung als kontraproduktiv herausstellt und zum „Problem“ wird, wird nach einer „Lösung“ gesucht.

Das skizzieren einer neuen Ordnung, und das (er)finden eines möglichen Weges dorthin, bedeutet Lösungsorientierung. Dabei bedeutet Lösungsorientierung in der Moderation, das gezielte Herausarbeiten und Nutzen von vorhandenen Positiverfahrungen, von Stärken und Ressourcen, die dann zur Lösung eines als Problem deklarierten Zustandes genutzt werden können. Damit die Lösung nicht zum Problem wird, ist es erforderlich, den Ist-Zustand zu würdigen und die Historie zu betrachten, denn jeder Baum hat eine Wurzel.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress

Agil ist in

Agil ist in. Der Begriff wird in allen Lebensbereichen bemüht. Hat der Moderationszyklus als Metastrukturmodell ausgedient? Oder sitzen wir hier einer Worthülse auf?
 

Überträgt man den Begriff agil auf Moderation und postuliert ein Agiles Moderieren, so würde das bedeuten, dass es auch ein langsames, bürokratisches, nicht agiles oder rigides Moderieren geben müsste. Was aber sollte das sein? Da wird nur ein Schuh draus, wenn man Moderation in ein agiles Arbeitsumfeld, wie etwa das der agilen Software-Entwicklung stellt. So könnte man von Moderieren in agilen Organisationsformen als Pendant zu einem Moderieren in traditionellen Organisationsformen sprechen. Die Agilität des Moderators ist jedenfalls in jedem Organisationsdesign gefragt. Und gerade im agilen Kontext spielt Team-Kommunikation eine wichtige Rolle. Es gibt viele regelmäßige Meetings die helfen, schnelle, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Da ist es extrem wichtig, ein Meeting so zu moderieren, dass es strukturiert zum Ziel führt und durch die richtigen Fragestellungen und Gesprächstechniken den Beteiligten hilft, sich auf Augenhöhe zu begegnen.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress.