Die 3 häufigsten Denkfehler zu „New Work“

Die Diskussion um „New Work“ ist mit allerlei Unschärfe behaftet. Die vielleicht häufigsten Denkfehler in aller Kürze:

Denkfehler 1: New Work ist ein Ansatz, eine Theorie, ein Konzept

Kurz und knapp: THE New Work gibt es nicht. Die Arbeitswelt verändert sich rasant und Entwicklungen, wie die Digitalisierung, Flexibilisierung, Globalisierung … der Arbeit sind ineinander verwobene Prozesse, für die es keine Überschrift gibt. Es scheint dem Streben nach Komplexitätsreduktion geschuldet, dass dieses Begriffsvakuum derzeit in vielfältiger Weise mit dem Begriff New Work gefüllt wird. Man könnte mit Johann Wolfgang von Goethe sagen: Erlaubt ist, was gefällt!

Mit dem ursprünglichen Anliegen von Frithjof Bergmann, der diesen Begriff geprägt hat, hat das was heute diskutiert wird wenig zu tun. Er sagt selbst: „Die ursprüngliche Idee war, die Menschen teilweise Arbeit tun zu lassen, die sie wirklich, wirklich wollen. Der Unterschied ist sehr groß zu dem, was sich daraus entwickelt hat. Mein Vorschlag an General Motors war, dass die Leute die Hälfte ihrer Arbeitszeit wie zuvor machen und in der anderen Hälfte freigestellt werden sollten, damit sie in dieser Hälfte das tun, was sie wirklich, wirklich wollen.“ (Frankfurter Allgemeine, 25.06.2019) Das wäre, wenn man es platt ausdrückt, bezahlte Zeit für Hobbies und/oder die Suche nach dem was man eigentlich im Leben gerne machen würde, mit anderen Worten, eine Art bedingungsloses Grundeinkommen. Wie eingangs erwähnt, kann diese ursprüngliche Intension heute lediglich als ein Aspekt der aktuellen New Work Diskussion verstanden werden.

Denkfehler 2: Selbstorganisation ist besser als Hierarchie

Es wäre fatal, im menschlichen Bereich auf Effekte wie „Schwarmintelligenz“ zu setzen die, glaubt man Dirk Helbing von der ETH Zürich, nicht vom Tierreich auf menschliche, soziale Systeme übertragbar sind. Auch scheint es naiv, darauf zu vertrauen, dass sich im Teamwork das inhaltlich bessere Argument durchsetzen wird. Gut möglich, dass eher mal extrovertierte, rhetorisch geschickte, vielleicht auch ein Stück weit rücksichtslose Mitarbeiter*innen, die sich „gut verkaufen“ können, mehr Gehör bekommen.

Allein moderatorisches Geschick kann helfen, diese Effekte zu eliminieren oder zumindest zu minimieren. Die Förderung sozialer und methodischer Kompetenz in Kommunikation und Moderation, Coaching und Führung, scheint der Königsweg zu sein, Selbstorganisation zu ermöglichen. Und Führungskräfte brauchen ein gerüttelt Maß an moderatorischem Geschick.

Dabei hat die Diskussion um Hierarchie ihren Ursprung eher in der Unzufriedenheit mit der Qualität, wie Führung häufig erlebt wird. Sie ist weder neu noch New Work spezifisch. Das Ringen um die Qualität von Führung hat eine lange Tradition.

Verantwortungsvolle Führung hat etwas mit „Augenhöhe“ zu tun, mit Fürsorge und Unterstützung. Die Führungskraft ist Diener ihrer Mitarbeiter und sorgt für Rahmenbedingungen, die maximale Performance ermöglicht und das nicht im Sinne von Ausnutzen, sondern von Fördern und Ermöglichen.

Bleibt die Frage, in welchen Bereichen Selbstorganisation möglich und sinnvoll ist. Dass Selbstorganisation Hierarchie nicht generell ersetzen kann, wird einem schnell klar, wenn man sich einen Notfalleinsatz ohne klare „Befehlsstrukturen“ vorstellt. Der Kern der Frage muss also lauten: Was ist wann besser und was bedeutet „besser“?

Denkfehler 3: Jeder muss in der Arbeit Erfüllung finden

Es scheint in der aktuellen Diskussion dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel geschuldet, dass es nicht mehr darum geht Arbeit zu haben, die einem ein ausreichendes Einkommen ermöglicht (die hat man ja auf jeden Fall) sondern darum, ein möglichst angenehmes Arbeitsleben leben zu können. Daran ist nichts falsch, in Japan gibt es dafür sogar einen Begriff.

Das japanische Ikigai 生き甲斐 bedeutet ‚Lebenssinn‘ und ist – frei übersetzt – „das, wofür es sich zu leben lohnt“. Das kann für jeden etwas anderes sein. Je klarer man weiß, was einem Spaß macht, was Erfüllung gibt, womit man in den „Flow“ kommt aber auch, was man gut kann und was man vielleicht auch der Welt Gutes tun möchte weil man nützlich sein will, desto klarer kann man sagen, wofür es sich lohnt morgens aufzustehen. Wenn man dann damit auch noch Geld verdienen und seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, gehört man zu den Glücklichen dieser Erde. Meistens fallen die Bereiche aber nicht zusammen und man ist gezwungen, sich den individuellen Lebenssinn zu „patchworken“.

Fazit: New Work ist kein Ansatz, den man umsetzen könnte, vielmehr ist New Work ein „Label“ zur Diskussion und Weiterentwicklung von Führung und Arbeitsorganisation. Berater, Personal- und Organisationsentwickler, Moderator*innen und Facilitator müssen sich aktiv beteiligen und Manager und Führungskräfte, Projektleiter und Mitarbeiter aktiv begleiten auf ihrem Weg zur New Work. Der erste Schritt muss dabei aber immer sein, zu definieren, was konkret angestrebt werden soll, sonst wird aus Lust auf New Work Frust durch New Work.

Ihr/Euer/Dein,
Josef W. Seifert