Damit nicht die Lösung das Problem wird

Was hat es in der Moderation eigentlich mit der vielbeschworenen Lösungsorientierung auf sich?

Bei allem Streben nach einer Lösung für einen unbefriedigenden Zustand, darf man nicht außer acht lassen, dass jede bestehende Ordnung einen Sinn hat, oder anders ausgedrückt, einen Zweck. Jeder Zustand in einem sozialen System wird aktiv aufrechterhalten, es wird etwas dafür getan, dass es so ist wie es ist und das hat gute Gründe. Wenn sich die gegebene Ordnung als kontraproduktiv herausstellt und zum „Problem“ wird, wird nach einer „Lösung“ gesucht.

Das skizzieren einer neuen Ordnung, und das (er)finden eines möglichen Weges dorthin, bedeutet Lösungsorientierung. Dabei bedeutet Lösungsorientierung in der Moderation, das gezielte Herausarbeiten und Nutzen von vorhandenen Positiverfahrungen, von Stärken und Ressourcen, die dann zur Lösung eines als Problem deklarierten Zustandes genutzt werden können. Damit die Lösung nicht zum Problem wird, ist es erforderlich, den Ist-Zustand zu würdigen und die Historie zu betrachten, denn jeder Baum hat eine Wurzel.


Bettina Kerschbaumer-Schramek interviewte Josef W. Seifert im Moderatorenkongress

Ratschläge für einen schlechten Moderator

Josef W. Seifert hat, in Anlehnung an Kurt Tucholskys Ratschläge für einen schlechten Redner, Ratschläge für einen schlechten Moderator formuliert, die man unter keinen Umständen beherzigen sollte.

Ratschläge für einen schlechten Moderator oder: So setzen Sie Ihr Meeting garantiert in den Sand

Wenn Kommunikation der Klebstoff ist, der Organisationen zusammenhält, dann ist jedes Gespräch ein Tropfen Klebstoff und jedes Meeting ein ganze Tube davon. Man sollte die Bedeutung von Meetings dennoch nicht überschätzen. Häufig ist der Moderator, die Moderatorin richtig gut darin, das Meeting zu einer frustrierenden Zeitverschwendung zu machen. Solltest du keine Idee haben, wie dies auch dir gelingen kann, halte dich an die folgenden 10 fundierten Grundsätze, und es wird klappen!

1. Starte möglichst nicht pünktlich!

Wähle für ein Meeting stets einen motivierenden Anfang. Dazu ist es beispielsweise hilfreich, sich bei den Anwesenden über die Unpünktlichkeit der noch fehlenden Teilnehmer zu beklagen. Noch besser ist es, die Pünktlichen einige Zeit auf die Unpünktlichen warten zu lassen. Dabei wirkt es sich günstig auf die Laune und Motivationslage der Anwesenden aus, wenn diese Wartezeit noch vor dem Eintreffen der Zuspätkommer beendet wird. Dazu kannst du Worte benutzen, wie etwa: „Also ich schlage vor, wir fangen jetzt trotzdem schon mal an, wer weiß, ob die noch kommen!“ Dieses Vorgehen ist tausendfach erprobt und führt regelmäßig zu extrem guter Stimmung. Diese wirkt sich dann auch gegenüber den Zuspätkommern positiv aus. Idealerweise ist das Timing so, dass diese kommen, just nachdem das Meeting begonnen hat.

2. Kläre am Anfang nicht, was jedem klar sein müsste!

Du solltest zudem zu Beginn eines Meetings unbedingt darauf verzichten, zu klären, aus welchem Grund und zu welchem Zweck das Meeting stattfindet. Das kostet nicht nur unnütz Zeit, es beleidigt auch den Intellekt der Anwesenden. Wer bitte weiß denn nicht konkret, wieso und wozu er gekommen ist? Und wenn die Vorstellungen davon nicht deckungsgleich sein sollten, was ja eher unwahrscheinlich ist, so ist während des Meetings ja immer mal wieder Zeit und Gelegenheit, darüber zu streiten, was Sinn und Zweck der Zusammenkunft ist. Sollte sich dann herausstellen, dass es wider Erwarten unterschiedliche Vorstellungen gibt, und man bis dorthin von „falschen Tatsachen“ ausgegangen ist, kann man ja immer noch eine Schleife drehen und das eine oder andere Thema nochmal besprechen. Das Wichtigste ist am Anfang, voran zu kommen, und da würde die Klärung von Anlass, Zielsetzung, Zeitrahmen und geplanter Vorgehensweise nur unnütz bremsen. Sollte das Meeting eh schon verspätet begonnen haben, ergibt es ja doppelt keinen Sinn, Zeit mit derartigem Vorgeplänkel zu verplempern.

3. Verzichte auf eine Themensammlung!

Nach dem Einsteigen sollte man „straight forward“ das erste Thema besprechen, das aufpoppt. Was nützt es denn, zu versuchen, erst zu klären, was überhaupt alles zu besprechen ist, wenn die Energie der Gruppe längst in den Details eines offensichtlich interessanten Aspekts ist? Geh mit der Weisheit der Gruppe, nutze die Schwarmintelligenz und respektiere die Selbstorganisationskräfte des Systems. Was „sonst noch“ auf die Agenda muss, kann man ja immer noch klären, das läuft ja ganz sicher nicht weg. Sollte sich am Ende herausstellen, dass das wichtigste Thema aus Zeitgründen nicht oder nicht ausreichend bearbeitet werden konnte, muss man halt ein neues Meeting ansetzen.

4. Nimm die Bearbeitungsreihenfolge, die sich ergibt!

Würde man nach dem Einsteigen die zu besprechenden Themen sichten, nach Wichtigkeit oder Dringlichkeit priorisieren und das „heißeste“ Thema zur Bearbeitung auswählen, dann wäre sichergestellt, dass man die Zeit nicht mit der Diskussion weniger wichtiger oder dringlicher Themen zubringt, aber mal ehrlich, ist der Moderator dafür verantwortlich, dass klar ist, was besprochen werden muss? Ganz klar nein, der Moderator hat keinen Erziehungsauftrag für Erwachsene! Er geht immer mit der Energie der Gruppe und verweist im Zweifel darauf, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist, weil es eben so gekommen ist. Es gilt die Selbstorganisationskräfte der Gruppe nicht nur zu respektieren, sondern auch zu nutzen. Dass es dabei auch zu chaotischen, gruppendynamischen Phasen kommen kann, das liegt nun einmal in der Natur der Sache.

5. Erschwere die Arbeit nicht durch Bearbeitungsraster!

Wenn die Teilnehmer sich explizit, etwa mittels Punkteabfrage, oder auch spontan oder vielleicht auch fließend, im dynamischen Kommunikationsfluss, für die Bearbeitung eines Themas entschieden haben, sollte das Gespräch nicht durch quälende Fragen wie etwa nach der Zielsetzung der jeweiligen Themenbearbeitung belastet werden. Der Moderator ist zur Begleitung des Kommunikationsprozesses und zur Erleichterung der Themenbearbeitung da und nicht, um den Teilnehmern durch Metakommunikation und Methodenvorschläge auf die Nerven zu gehen.

6. Plane, aber niemals konkret!

Wenn eine Themenbearbeitung abgeschlossen ist, können Maßnahmen vereinbart werden. Falsch wäre es allerdings, explizit danach zu fragen, ob etwas zur Sache vereinbart werden soll, und gegebenenfalls was. Ein geradezu fataler Fehler wäre, konkrete Formulierungen für Vereinbarungen einzufordern, die den Beteiligten mögliche Freiheitsgrade zur Auslegung und Ausgestaltung im Nachgang der Veranstaltung einschränken. Der Gipfel der Inkompetenz und Selbstüberschätzung ist es allerdings, wenn du als Moderator nach Möglichkeiten für einen „Check“ fragen würdest, also danach, wie die Versammelten jemals erfahren werden, was aus der Vereinbarung wurde. Das würde ja geradezu unterstellen, dass Maßnahmen häufig nicht nachgehalten werden und versanden. Eine derartige Unterstellung würde als destruktiv, ja geradezu als aggressiver Akt erlebt.

7. Halte den Abschluss möglichst schlicht!

Ist die geplante Zeit überschritten und / oder die Energie der Gruppe neigt sich dem Ende zu, sollte man das Meeting beenden. Dabei ist tunlichst auf eine Reflexion des Miteinanders und der Zufriedenheit zu verzichten. Dies würde nur zu fruchtlosen Diskussionen und am Ende noch zu unnötigen Konflikten führen! Wenn das Meeting zu Ende, ist es zu Ende. Da ja eh jeder weiß, dass die Zusammenkunft nun vorbei ist, ist ein schlichtes „OK, damit sind wir am Ende!“ als Abschluss völlig ausreichend. Es bleibt den Teilnehmern ja unbenommen, sich im Hinausgehen oder im Nachgang noch über Verlauf und Ergebnis auszutauschen. Du weißt als emphatischer Moderator ja eh, was gut und was weniger gut lief, welchen dieser Ratschläge du wie gut beherzigt hast, und welchen weniger, und worauf es daher beim nächsten Treffen besonders ankommt …

Und: 8. Zeige dich stets betont selbstbewusst!

Und noch etwas ganz Grundsätzliches: Gib dich stets einen Tick arrogant, ja vielleicht sogar übertrieben selbstsicher, das stärkt deine Position. Die Menschen lieben starke Persönlichkeiten, sie finden das sympathisch und es hilft ihnen, ihren Platz in der Gruppe zu finden. Der Nutzen einer klaren Hackordnung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auf dieser Basis solltest du stets mitdiskutieren und wichtig: entscheiden! Sollten sich trotz deines energischen Auftretens Widerstände gegen deine methodischen oder inhaltlichen Positionen entwickeln, solltest du dich nicht damit auseinander setzen, sondern sofort damit drohen, die Moderation niederzulegen.

9. Verzichte bewusst auf Neutralität in der Sache!

Methodische und inhaltiche Meinungsslosigkeit wird dir als Schwäche ausgelegt: „Der hängt sein Fähnchen nach dem Wind!“ heißt es dann. Jeder Teilnehmer wünscht sich (insgeheim), dass der Moderator sagt, wo es lang geht, was zu tun und was zu lassen ist. Die vielbeschworene Neutralität des Moderators hilft da nicht wirklich weiter. Sag also klar deine Meinung zum jeweiligen Thema. Sag, wo du stehst und was du von der einen oder anderen Meinungsäußerung hältst. Das zieht dich zwar möglicherweise in die Diskussion hinein und du verlierst etwas deine Vermittlerposition, aber wem hilft ein Vermittler zwischen den Sichtweisen, wenn niemand die richtige Sicht auf die Dinge hat? Und wer soll sagen, was richtig ist, wenn nicht der Neutrale?

10. Sorge für glasklare Machtverhältnisse!

Wenn es nicht so läuft, wie du dir das vorstellst, nutze die Geheimwaffe des Moderators, gib Feedback! Feedback ist eine Rückmeldung darüber, wie das Verhalten von jemandem auf dich wirkt. Eigentlich sollte sich Feedback auf eine Sache oder Handlung beziehen und der Empfänger sollte es erwarten können. Im Idealfalle hat er darum gebeten: „Wie geht es Ihnen damit?“, „Was halten Sie davon?“ oder „Wie hat mein Verhalten auf Sie gewirkt?“ … sind Formulierungen, die dazu auffordern, Feedback zu geben. Im vorliegenden Falle kommt es aber darauf an, dass du es spontan und für den Empfänger unerwartet gibst. Es schüchtert den anderen dann ein, wenn er es als Angriff erlebt, überrumpelt ist und nicht sofort etwas dagegensetzen kann. Hilfreich ist auch, es möglichst pauschalierend zu äußern, so dass der Empfänger keinen Gegenbeweis antreten kann, da es ja keinen konkreten Vorwurf gibt. Also etwa so: „So wie Sie argumentieren, kommen wir nicht weiter, das ist Ihnen hoffentlich klar!?“

Im Anschluss daran, sollte eine deutliche Forderung kommen, was jetzt zu tun und was zu lassen ist. Das bringt Ruhe in den Laden und gibt Orientierung. Zudem wird einmal mehr deutlich, wer hier der Moderator ist.

Und … nutze diese Ratschläge nur, wenn du auch wirklich ein ineffektives Meeting haben willst!

FAZIT: Kann es sein, dass dir das eine oder andere in der Praxis schon mal begegnet ist? Wie dem auch sei, wenn du ein richtig guter Moderator, eine gute Moderatorin sein oder werden möchtest – und das wäre wirklich wünschenswert! – dann halte dich an das Gegenteil dieser Ratschläge. Ich wünsche dir jedenfalls: Viele gelungene Meetings!

Ihr/Euer/Dein
Josef W. Seifer

PS: Der Buchtipp zum Thema ;O)


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