Zuhören in der Konfliktmoderation

– Gedanken zum Zuhören, von Josef W. Seifert

Zuhören ist eine der wichtigsten Kernfähigkeiten eines professionellen „Kommunikators“, denn die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Zuhören erst ermöglicht Kontakt und Verstehen.

Dabei ist Zuhören zunächst nichts weiter als der Verzicht auf eigene Beiträge, auf eigene Kommentare und Erwiderungen zum Gesagten. Darüber hinaus aber ist es das Bemühen sich auf den andern einzulassen, verstehen zu wollen, was er sagt und was er damit verständlich machen, „rüber bringen“ möchte. Schon passives Zuhören bedeutet Wertschätzung für den Sprecher, der Zuhörer signalisiert dadurch: „Was Du sagst ist (mir) wichtig.“ – und das transportiert ein „Du bist (mir) wichtig!“

Der Sprecher muss dazu allerdings unmissverständlich erkennen, dass ihm zugehört wird. Das bedeutet, dass jegliche Nebentätigkeiten unterbleiben müssen. Eine Frage, wie etwa: „Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu?“ wäre der knallharte Beweis dafür, dass es mit der ungeteilten Aufmerksamkeit nicht so recht geklappt hat. Zuhören erfordert deshalb auf den Sprecher gerichtete Aktivität, bedeutet „Aktiv Zuhören“.

Aktiv Zuhören bedeutet:

  • Zugewandte Körperhaltung
  • Blickkontakt
  • Quittierende, unterstützende Laute, wie: ok, a-ja, aha, mhm, etc.
  • Verständnisfragen, wie etwa: „Wodurch kam das?“, „Und wie hast Du Dich da gefühlt?“, „Aus welchem Grund glaubst Du, hat er so reagiert?“

Aktiv Zuhören bedeutet „Verstehen wollen“!

Und: Zuhören hat, besonders in der Konfliktklärung, einen weiteren wichtigen Aspekt, denn immer wenn jemand etwas sagt, geht es nicht nur um den Inhalt, den er mitteilt, also die offensichtliche ES-Aussage, sondern er sagt über die ICH- und die DU-Aussage, immer auch etwas darüber, wie er sich in Beziehung zum andern sieht. Und diese Aussagen ermöglichen dann ja erst die Interpretation der ES-Aussage.

Für den Moderator ist es besonders wichtig „herauszuhören“, was das Gesagte über den Sprecher selbst sagt, denn wie es René Descartes ausdrückte:

Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul!

Deshalb es ist es immer auch die Frage, wieso der Sprecher das was er sagt sagt und wie er es sagt und wieso gerade so. Was teilt er mit dem Gesagten „eigentlich“ mit? Was sagt es über ihn aus?

Hier ist eine wichtige Aufgabe für den Moderator „versteckt“. Es macht nämlich schon einen Unterschied, ob ein „Korinthenkacker“ sich über Unordnung beschwert oder ein „Chaot“!

Zudem kann Konfliktklärung nur gelingen, wenn die Kontrahenten auf einer Ebene der „wahren Begegnung“ miteinander kommunizieren. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn die bestehenden seelischen Kratzer, Narben und Wunden offen zur Sprache kommen. Und hier ist der Moderator gefragt. Er muss versuchen herauszuhören, ob eine Aussage authentisch und glaubwürdig ist. Er muss auch hören, was „zwischen den Zeilen“ steht und was mit dem Gesagten (möglicherweise auch) gemeint war.

Begegnen sich die Konfliktparteien auf einer Ebene, des „als ob“, sie antworten also immer so, als wäre nur die Sachbotschaft gesendet worden und gehen damit der Konfrontation aus dem Weg, so ist der Moderator aufgerufen, dies anzusprechen. Die geeigneten Techniken hierfür sind die „Feedback-Technik“ und die Technik des „Doubelns“. Die erste „Zuhörhilfe“ ist allerdings das sogenannte „Verbalisieren“, das Aussprechen von Gefühlen.

Sagt beispielsweise Partei A zu Partei B etwas, wie: „Das ist doch nicht ok, Du hast mich über dreißig Minuten warten lassen, ich steh mir die Füße platt und Du trinkst in Ruhe Kaffee. Da hätte ich ja gut noch ein Telefonat erledigen können oder zwei. So geht man nicht miteinander um!“, so kann der Moderator über aktives Zuhören hinaus die Gefühle verbalisieren und die Situation genauer beleuchten, indem er etwa sagt: „Mhm, Sie hatten das Gefühl, sich die Füße platt zu stehen und kamen sich im Stich gelassen vor, ist es das?“

 „A“ wird das Gesagte aufgreifen, bestätigen oder berichtigen. Der Moderator erreicht dadurch aber mit hoher Wahrscheinlichkeit den Wechsel von der Sach- auf die Gefühlsebene und das ist es, worauf es ankommt. Aus anklagenden DU-Aussagen müssen mitteilende ICH-Aussagen werden.

Zentrale Zuhör-Techniken im Überblick

Passiv

  • Zugewandte Körperhaltung.
  • Offene Körperhaltung, keine verschränkten Arme … wenn es passt, eher dem Gegenüber ähnlich.
  • Blickkontakt halten: Dem andern immer wieder in die Augen schauen.

  • Neutraler Gesichtsausdruck, kein Lächeln aufsetzen, um freundlich zu wirken.

Aktiv

  • Bestätigen: Mit aha, mhm, ok … immer wieder bestätigen, dass die Botschaft angekommen ist.
  • Nachfragen: „Hab ich das richtig verstanden, das war so, dass Sie …“ – „Und was ist dann passiert?“
  • Paraphrasieren: Das Gesagte mit eigenen Worten wiedergeben, um sicherzustellen, mit dem Verstehen, nicht „völlig daneben“ zu liegen.
  • Verbalisieren: Mit eigenen Worten wiedergeben, wie sich der Sprecher „gefühlt haben muss“, in der entsprechenden Situation.
  • Zusammenfassen: „Bei Dir ist also letzen Endes der Eindruck geblieben, dass … und es geht Dir jetzt vor allem darum, dass …“!?

Zuhören bedeutet nach DUDEN, „etwas akustisch Wahrnehmbarem hinhörend folgen, ihm seine Aufmerksamkeit zuwenden.“ In der Konfliktmoderation bekommt diese Definition eine völlig neue Dimension. Ohne die Fähigkeit in das Gesagte hineinzuhören und damit zu arbeiten, ist Konfliktklärung nicht wirklich möglich. Zuhören wird so zu einer der wichtigsten Kernfähigkeiten eines professionellen „Kommunikators“.



Quelle: Josef W. Seifert, Konfliktmoderation, GABAL Verlag, Offenbach 2018