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Moderation versus Facilitation

Moderation und Facilitation sind zwei Begriffe, die manchmal ergänzend, manchmal konkurrierend und ein anderes mal synonym verwendet werden: Was hat es damit auf  sich? Um es gleich vorweg zu nehmen: Moderation und Facilitation sind Begriffe die, bei Licht betrachtet, für ein und dasselbe stehen. Bleibt die Frage, was die Begriffe konkret bedeuten und für welche Tätigkeit sie genutzt werden.

Der Begriff Facilitation bedeutet im Englischen Erleichterung, Ermöglichung und wird im beruflichen Kontext synonym zum Begriff Moderation, genauer Businessmoderation1, verwendet. Dies wird etwa in neueren Aussagen deutlich wie der, dass Facilitation „eine Denk- und Lebensschule, ein Handwerk und eine Kunst“2 sei, die sich mit Aussagen decken, wie etwa: „Moderation ist ein Handwerk und eine Kunst.“3 sowie den Ausführungen von Albert Ziegler zur Wortbedeutung der Moderation, der diese in die Bereiche „Lebensführung, Gesprächsführung und Unternehmensführung“4 untergliedert.

 

Abb. 1: Moderation und Facilitation – Begriffsverwendung

 

Der Begriff Moderation wird – und dies kann im oben erwähnten Sinne auch für Facilitation gelten – innerhalb des Businessbereiches häufig als Synonym für „Gestaltung“ verwendet. So definiert etwa Wohlgemuth den Begriff Moderator als Synonym für Unternehmens-/Organisationsberater5. Er fasst den Begriff innerhalb des Businessbereiches also sehr weit. Folgt man diesem Gedanken, so kann er – in Anlehnung an Edgar Scheins klassische Unterscheidung zwischen Expertenberatung und Prozessberatung – allgemein für „Prozessgestaltung von Veränderungsprozessen“ stehen6. Der Gestalter, der Moderator oder Facilitator ist hier der mäßigend wirkende, zwischen Standpunkten und Sichtweisen vermittelnde Lenker, jedoch weit mehr, als ein Gesprächsleiter. Man könnte den Moderator oder Facilitator hier auch als „speziellen Unternehmensberater“, „systemischen Organisationsberater“, „Change-Manager“ oder „New Work Facilitator“ bezeichnen.

Was den enger gefassten Aspekt der Gesprächsführung angeht, so finden sich die Begriffe Moderation und Facilitation im Bereich Unterhaltung, wo der Moderator als „Entertainer“ im Wesentlichen die Aufgabe hat, zwischen den inhaltlichen Teilen einer Veranstaltung, „rhetorische Brücken“ zu bauen (Unterhaltungsmoderation), im Bereich Information/Journalismus, wo der Moderator als „Host“ in Veranstaltungen mit Gästen versucht, für ein Publikum relevante Informationen zu generieren (Journalistische Moderation), sowie im Rahmen von Problembearbeitungsprozessen im privatwirtschaftlichen und im öffentlichen Bereich (Businessmoderation). Dort hat er als „Facilitator“ die Aufgabe, den Prozess zu leiten, in dem partizipativ Probleme bearbeitet beziehungsweise gelöst werden sollen.

Der Kern der Tätigkeit des Moderierens – und dies kann aus genannten Gründen auch für Facilitation gelten – lässt sich für alle Bereiche aus der Wortbedeutung des lateinischen „moderatio“ ableiten.7 Demnach steht moderieren einerseits für lenken, leiten und andererseits für mäßigen, „die Mitte finden“. Im Fall moderatorischen Wirkens im Businesskontext ist es dabei Ziel, den Beteiligten die gemeinsame (Veränderungs-) Arbeit zu erleichtern. Hier schießt sich abermals der Kreis zu Facilitation.

 

 

Abb. 2: Moderator und Facilitator: Tätigkeitsbereiche

 

Ob man – aus welchen Gründen auch immer – den Begriff Moderation oder Facilitation verwendet: die Bezeichnung ist nicht das Bezeichnete, die Verpackung nicht der Inhalt. Beide Begriffe bezeichnen eine Tätigkeit, der ein – durch eine spezielle Grundhaltung getragenes – methodisches Kommunikations-Know-how zugrunde liegt, ohne das die Moderatorin, der Moderator oder Facilitator diese Beratungsleistung nicht (glaubwürdig und erfolgreich) erbringen kann.

Haltung: Begreift man Moderieren als die Aufgabe, es den an einer Problembearbeitung beteiligten Menschen zu erleichtern „die Mitte“ zu finden, so ist dies nur aus einer wohlmeinenden und wohlwollenden Haltung heraus möglich. Nur, wer im Stande ist, unterschiedliche Sichtweisen, Meinungen und Positionen, als grundsätzlich legitim zu betrachten und jedem – unabhängig von seiner Sicht der Dinge um die es gerade geht – respektvoll zu begegnen, schafft Akzeptanz für sein Tun und die Basis für gelingende Kommunikations-, und Veränderungsprozesse.

Die eigene Meinung, der eigene Standpunkt, der persönliche Eindruck, treten zugunsten einer offenen „Neugierdehaltung“ in den Hintergrund. Im Zentrum des Interesses stehen die Bedürfnisse der zu Moderierenden, die durch Fragen herausgearbeitet werden. Der Moderator nimmt eine „neutrale Haltung“ ein. Wichtig ist dabei, zwischen Inhalt und Beziehung zu trennen. Während die Haltung den Inhalten gegenüber, von den Beteiligten als „neutral“ erlebt werden sollte, gilt es, den Menschen gegenüber bewusst eine „bedingungslos wertschätzende“ Haltung einzunehmen. Ziel ist es, nicht fachlich zu dominieren, sondern die beteiligten Menschen zu ermutigen und ihnen die inhaltliche Arbeit durch geeignete Kommunikations- und Moderationsmethoden zu erleichtern.

Der ideale Moderator ist „bedingungslos wohlwollend“.


Methoden:
 Moderieren könnte man auch als „Organisieren von Selbstorganisation“ bezeichnen, da der Moderator keine formelle Macht hat. Facilitator geben zu bedenken, laden ein, empfehlen, schlagen vor… sie bestimmen nicht. 

Zur Leitung von Gruppengesprächen in Form von Meetings, Workshops, Großgruppenveranstaltungen oder auch Online-Treffen, werden verbale und visuelle Methoden zur Prozessbegleitung genutzt. Aber auch Regeln, Rituale und Spiele können als gezielte Interventionen eingesetzt werden.

Um im Thema zu bleiben, könnte man spaßeshalber formulieren: „Den Methoden ist es egal, ob sie von einer Moderatorin, einem Moderator oder einem Facilitator angeleitet werden.“ entscheidend ist allein, dass diese konstruktiv, hilfreich und zielführend sind. Und, wenn etwas Spaß dabei ist, schadet das auch nicht unbedingt… 

 

 

Fazit: Facilitation steht allgemein für Erleichtern – Im Businesskontext steht es, wie (Business-)Moderation, für Begleitung von Veränderung im Rahmen von Organisationsentwicklung, Changemanagement und New Work.

Die Begleitung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen kann dabei Prozessbegleitung für ein ganzes OE-Projekt, aber auch punktuelle Unterstützung für die Gestaltung von Workshops und Großgruppen-Veranstaltungen durch Beratung, Coaching und Moderation sein.

Ziel dieser Unterstützung auf Zeit ist die Entwicklung eines tragfähigen Designs für die zu bewältigende Aufgabe. Mindset und Haltung zielen darauf ab, durch situations- und organisationsadäquate Partizipation und Selbstorganisation, die Menschen in der Organisation ‚mitzunehmen‘ und eine gemeinschaftliche Verantwortung für das Gelingen des Vorhabens zu etablieren.

Moderation oder Facilitation, Moderatorin oder Facilitator, welchen Begriffen im Einzelfall der Vorzug gegeben wird, hat weniger mit der Wortbedeutung zu tun, als vielmehr – über den Aspekt der „Geschmacksache“ hinaus – mit Überlegungen zur Anschlussfähigkeit an die jeweilige Organisationskultur. Es macht durchaus Sinn, die Begriffe zu wählen, die die Akzeptanz für die zu erbringende Beratungsleistung fördern.

Ihr /Euer /Dein
Josef W. Seifert

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Mehr zum Thema:

Quellen:

1 Josef W. Seifert, Visualisieren – Präsentieren – Moderieren, Gabal Verlag, Offenbach
2 Vesper/Scholz, Facilitation, Verlag Vahlen, München
3 Karin Kleber, ModerationsMethode, Windmühe Verlag, Hamburg
4 Albert Ziegler in Wohlgemuth, Moderation in Organisationen
5 André C. Wohlgemuth, Moderation in Organisationen, Verlag Paul Haupt, Bern, Stuttgart, Wien
6 Josef W. Seifert, Moderation & Beratung, MODERATIO-Notiz #7, Pörnbach
7 Josef M. Stowasser, Der kleine Stowasser, Latainsich-Deutsches Schulwörterbuch, G. Freytag Verlag, München


© 2023 Josef W. Seifert

MODERATIO AKADEMIE – Facilitator Training – Facilitator Ausbildung – Training Business Facilitation – Ausbildung Business Facilitator – Präsenz – Online– Hybrid

Facilitative Leadership

Dass Organisationen agiler werden müssen, wollen sie morgen noch am Markt bestehen, dürfte kaum mehr jemand ernsthaft bezweifeln. Dass Führung dabei eine zentrale Rolle spielt, auch nicht.

Ein Aspekt, der in diesem Kontext unmittelbar in den Blick gerät, ist die Beschleunigung von Entscheidungen. Führungskräfte müssen schneller entscheiden oder besser: gar nicht mehr entscheiden müssen. Wenn Mitarbeiter und Teams selbst entscheiden, verkürzen sich Entscheidungsprozesse und Entscheidungszeiten, die Organisation wird wendiger, agiler.

Wenn aber Mitarbeiter selbst (mehr) entscheiden sollen, muss der organisationale Rahmen entsprechend angepasst werden. Die Range dafür ist extrem groß und reicht von Scrum bis Holokratie. In aller Regel wird das passende Konzept „nach Maß gefertigt“. Wie auch immer der Rahmen für die angestrebte Selbstorganisation im Einzelfall letztlich konkret aussieht, es gilt immer:   

Selbstorganisation will gut organisiert sein!

Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte müssen die neue Art der Zusammenarbeit lernen. Dabei ist Agilität nur ein Aspekt, der Führung verändert.

Führung neu definiert

Führung muss immer mehr zu Training, Coaching, Moderation oder kurz „Facilitative Leadership“ werden, zu Führung also, die auf trainieren und unterstützen fokussiert. Den Kern könnte man in Umkehrung von Wladimir Iljitsch Lenin’s Überzeugung „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ betiteln, mit: 

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser!

Die Denkrichtung kehrt sich um: Nicht der Mitarbeitende arbeitet der Führungskraft zu, der die Aufgaben erledigt und dafür Unterstützung durch seine Mitarbeitenden erhält, sondern die Führungskraft wird zum Facilitator, zum Ermöglicher, zum Förderer und arbeitet dem Mitarbeiter zu, damit dieser optimale Bedingungen hat, um die Aufgaben zu erledigen. Im Zeitalter der Wissensarbeit (Peter F. Drucker) kann die Führungskraft fachlich nicht mehr besser sein, als die ihr zugeordneten Kolleg*innen. Die Leitung steht nicht (mehr) auf der Bühne im Rampenlicht, sondern ist Backstage unterstützend tätig.

Der beste Führer ist der, dessen Existenz gar nicht bemerkt wird, der zweitbeste der, welcher geehrt und gepriesen wird, der nächstbeste der, den man fürchtet und der schlechteste der, den man hasst. Wenn die Arbeit des besten Führers getan ist, sagen die Leute: »Das haben wir selbst getan«
Laotse, 6. Jh. v. Chr.

Dieses post-tayloristische Führungsverständnis, ist Teil eines – durch eine Vielzahl von Herausforderungen (Umweltproblematik, Globalisierung, Fachkräftemangel, Digitalisierung …) getriebenen – umfassenden Kulturwandels, der ein Miteinander auf Augenhöhe fordert.

Facilitating Leadership

Kulturwandel bedeutet auch und vor allem Umgestaltung des Miteinanders nach innen und nach außen. Die Kommunikation mit den Kunden muss intensiver werden, weg von der Präsentation hin zum Dialog. Die Kommunikation mit den Mitarbeitenden muss einem neuen Mindset gerecht werden, das auf ein Mehr an Mitbestimmung und individueller Freiheit abzielt. Führungspersonen sind nicht mehr länger die, die alles besser wissen (können). Sie müssen zu Dienern, Unterstützern, Förderern, Moderatoren und Facilitators werden.

Die Anforderungen an die Führung von morgen könnte man in folgenden fünf Dimensionen zusammenfassen:  

  1. Mindset
    Führung beginnt im Kopf. Nur wer im Stande ist, seinen Teammitgliedern auf Augenhöhe zu begegnen, kann künftig Führungskraft sein. Bleibt die Frage, ob der Begriff Führungskraft noch zeitgemäß ist oder ein Begriff, wie Coach, Moderator oder Facilitator mehr Potential hat, ein Mindset zu erzeugen, das der Aufgabe der „neuen Führungskraft“ gerecht wird.
      
  2. Delegation
    Wenn Organisationen agiler werden sollen, heißt das Zauberwort Delegation oder Selbstorganisation. Das bedeutet, dass Teams innerhalb der ihnen zugedachten Aufgaben, sich eigenverantwortlich um die konkrete Arbeitseinsatzplanung, die Vertretungs- und Urlaubsregelung, die Einarbeitungs- und Weiterbildungsplanung, die Verwendung der zur Verfügung gestellten Budgets etc. kümmern. Auch die Informationswege zu internen und externen Kunden sind zu überdenken …

  3. Monitoring
    Eine Aufgabe, die als Führungsaufgabe – oder Lotsendienst – bleibt, ist die des Monitorings. Führung bedeutet, das „Große Ganze“ im Blick zu behalten, strategische Entscheidungen frühzeitig zu kommunizieren und zu navigieren, ohne das konkrete Doing zu übernehmen. Da kann es möglicherweise auch mal ein „Wenn möglich bitte wenden!“ geben, aber das direkte Steuern bleibt beim, sich selbst steuernden, Team.

  4. Orientierung
    Unternehmen brauchen eine glaubwürdige und transparente Vision als Bezugspunkt für ihr Handeln. Eine gut formulierte Vision gibt den Mitarbeitern Orientierung und erzeugt einen Sog in die intendierte Richtung. Voraussetzung ist, dass diese Vision von allen geteilt wird. Führungsarbeit bedeutet künftig mehr denn je, Sinnstiftung. Der Purpose der Organisation muss glaubwürdig sein, kommuniziert und diskutiert werden. Die Meinung aller muss gehört und berücksichtigt werden. Mitarbeiter*innen mit Leitungsfunktion müssen diese Mittler- und Moderationsfunktion pro-aktiv wahrnehmen.

  5. New Work
    Interpretiert man New Work im Sinne des Philosophen Frithjof Bergmann, so könnte man sagen, dass New Work auf den selbstbestimmten, glücklichen Menschen abzielt. Sieht sich eine Organisation diesem „Ansatz“ verpflichtet, könnten Führungskräfte, Berater und Coaches sein, die ihren Mitarbeitenden helfen ihrem Ikigai (frei übersetzt: „das, wofür es sich zu leben lohnt“) so nahe als möglich zu kommen. Eine Aufgabe von Führung wäre es dann, sich intensiv mit „Personalentwicklung“ oder besser Persönlichkeitsentwicklung, zu befassen.

Diese Art der Mitarbeiterführung oder besser Mitarbeiter-Unterstützung, die mehr mit Supporting als mit Führung im herkömmlichen Sinne zu tun hat, könnte man als moderativen Führungsstil oder Facilitative Leadership bezeichnen.



Erstveröffentlichung 04.2020: zukunftderarbeit.de

© 2020, Josef W. Seifert, MODERATIODieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist moderatio-logo.jpg

Social Facilitation

Die Social-Facilitation-Theorie (frei übersetzt Theorie der sozialen Erleichterung) besagt, dass Lebewesen bei bloßer Anwesenheit von Artgenossen bei einfachen Aufgaben bessere Resultate erzielen. Bei komplexen Aufgaben kehrt sich diese Erleichterung um und die Leistung der Person sinkt. (wikipedia)

Da es im Bereich New Work, mit Organisations- und Kulturentwicklung, stets um die Bearbeitung komplexer Themen- und Fragestellungen geht, fällt Moderator*innen und Facilitator die Aufgabe zu, den negativen Social-Facilitation-Effekt zu vermeiden oder zumindest abzufedern. 

Bleibt die Frage: wie kann das gelingen? … welches Mindset, welche Denkweise brauchen wir? … welche Methoden sind hilfreich?

Mindset:

Geht man davon aus, dass Social-Facilitation (auch) durch soziale Erwünschtheit und die Angst vor psychischer Verletzung befördert wird, muss ein Signal des Moderators /Facilitators sein: Hier wird keiner verletzt! Am Besten lässt sich das durch eine „kompromisslos wohlwollende Haltung“ erreichen, die heute meist mit „Augenhöhe“ bezeichnet wird.

Lebt man als Moderator*in diese Haltung vor, hat man die Chance, dass sich eine wohlwollende Moderationskultur etabliert, die dem negativen Social-Facilitation-Effekt „die Luft zum Atmen“ entzieht.

Methoden:

Die Denkweise der Wertschätzung und des Wohlwollens kann über geeignete Kommunikations- und Moderationsmethoden zu „sichtbarer Haltung“ in Form konkret erlebbarer Handlungen werden. Hierzu gehören unter anderem die Kommunikationstechniken „Systemisches Fragen“ und „Aktives Zuhören“ sowie die Moderationsmethoden „Kartenabfrage“ und „Brainstorming“.

Diese – nur exemplarisch genannten – klassischen Moderations-Werkzeuge laden zu einem konstruktiven, wertschätzenden Umgang miteinander ein und erzeugen – richtig eingesetzt – ein angstfreies Arbeitsklima, das dem Social-Facilitation-Effekt entgegenwirkt.


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