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Wer wagt gewinnt.

Ist unseren Schutzengeln langweilig? Gehen wir zu wenig Risiken ein, fehlt uns der Mut zu Neuem? Angesichts der gesellschaftlichen, klimatischen, technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen werden wir es künftig mit dem deutschen Dramatiker Friedrich Schiller halten müssen, der meint: „Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.“ – Doch was konkret gilt es zu wagen? …was zu hoffen?

Die Veränderungsgeschwindigkeit in Gesellschaft und Organisationen nimmt zu. Veränderungen verlaufen häufig nicht linear, sondern sprunghaft. Es entsteht eine nie gekannte Flüchtigkeit. Was heute gilt, ist morgen schon überholt. Das führt zu Unsicherheit. Prognosen und Strategien sind immer kurzlebiger. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Komplexität der Voraussetzungen für politisches und unternehmerisches Handeln kontinuierlich zunimmt. Ursachen für Ereignisse sind meist multikausal und in sozialen Systemen gar zirkulär. Mehrdeutigkeit dominiert, monokausale Ursachen-Wirkungs-Erklärungen laufen ins Leere. Diese Entwicklung hat längst einen Namen: Wir leben in einer „VUCA Welt“, einer Welt von Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity.

Wir haben nicht die Wahl, ob wir diesem Sachverhalt Rechnung tragen, sondern nur wie. Und dabei müssen wir aufpassen, dass unseren Schutzengeln nicht langweilig wird. Wir müssen – wo immer verantwortbar – mehr Unsicherheit wagen. Wir sollten die Definition von Wahnsinn, die Albert Einstein nachgesagt wird, „… immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ sehr ernst nehmen und es wagen, – immer wieder neu – Denk-, Fühl- und Handlungs-Autobahnen zu verlassen.

Für unsere Arbeitswelt erfordert das den Mut, Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen und die „Neue Arbeit“ zu erfinden. Dies beginnt ganz radikal bei der Frage, nach dem Sinn & Zweck (Wofür gibt es uns heute und wofür morgen?) über die Neudefinition von Führung (Was ist Führung heute und wohin muss sie sich verändern?) und reicht bis zur Selbstorganisation von Unternehmen und Teams (Wie viel Kontrolle brauchen wir, wie viel Eigenverantwortung ist möglich?), um nur drei der wesentlichen Faktoren zu nennen, die uns im Rahmen der Transformation zur New Work beschäftigen müssen. Im Einzelnen:

Sinn & Zweck

Unternehmen müssen künftig mehr als wirtschaftliche Ziele haben, um für (junge) Menschen attraktiv zu sein. Die Akzeptanz der auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaftslogik  schwindet. Es muss über das Gewinnstreben hinaus (oder statt dieses Zieles) glaubwürdig ein Sinn, Zweck, „Purpose“ formuliert werden, der (auch) das Gemeinwohl im Blick hat, Chancen- und Einkommensgerechtigkeit fördert, Nachhaltigkeitskriterien gerecht wird. 

Der Trend, immer weniger für Lebensmittel ausgeben zu müssen um immer mehr finanzielle Mittel für „Totmittel“ zur Verfügung zu haben, gerät ins Stocken. Die Folgen der Wohlstandsgesellschaft und des sogenannten Turbokapitalismus, werden langsam nicht nur bewusst, sondern auch spürbar. Immer mehr, vor allem junge Menschen, hinterfragen den Sinn und Zweck, wenn sie ihre Lebenszeit für ein Unternehmen, eine Organisation einsetzen sollen. Der Mitarbeiter der Zukunft möchte den Sinn und Zweck seines Handelns verstehen und das Gefühl haben, dass es etwas Sinnvolles ist, wofür er sich einsetzt.

Unternehmer und Manager brauchen daher den Mut, den Unternehmenszweck auf den Prüfstand zu stellen und Zukunftsvisionen zu entwickeln, die die Menschen mitnehmen, die Sinn und Selbstwirksamkeit im täglichen Tun versprechen und neben dem Unternehmenswohl auch das Gemeinwohl im Blick haben.
 

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“

Antoine de Saint-Exupéry

Führung

Führung muss künftig mehr sein, als Planen und Entscheiden, Anordnen, Delegieren, Kontrollieren, Kritisieren und Disziplinieren. Führung muss neu gedacht werden, weil vor allem jüngere Menschen nicht bereit sind, diese Art von Führung zu akzeptieren. Zudem verbrennt sie in ausgeprägten VUCA Zeiten zu viel der erforderlichen Wendigkeit. Agilität ist Trumpf. Gefragt sind „Freiheit“ und Partizipation, Selbstführung und Selbstorganisation. Die Führungskraft als Dreh- und Angelpunkt allen Geschehens hat – lange beschworen – nun tatsächlich ausgedient. Der Mitarbeiter rückt ins Zentrum des Geschehens. Führung wird dadurch nicht geringer, sondern anders.

Die Führungskraft muss mehr denn je zum „Selbstführungscoach“ und „Selbstorganisationscoach“ werden, der Eigenverantwortung fordert und fördert. Führung wird zur Dienstleistung. Wir brauchen, mehr denn je, den Mut zur „Führung mit Demut“; wir brauchen Facilitative Leadership.

 

Demut besteht nicht darin, sich geringer als die anderen zu fühlen, sondern sich von der Anmaßung der eigenen Wichtigkeit zu befreien.

Matthieu Ricardo

Selbstorganisation

Das, im Rahmen der New Work Diskussion, oft bemühte Idealbild des hierarchiefreien Miteinanders auf Augenhöhe, muss eher als Vision denn als Ziel verstanden werden. Heterarchie, als gleichberechtigtes Neben- und Miteinander könnte man in sozialen Bezügen als „realistische Utopie“ bezeichnen. Nichtsdestotrotz brauchen wir den Mut und die Phantasie mehr Selbstorganisation zu wagen.

Was in Start-ups und klein(st)en Unternehmen an Einbezug und Mitwirkung einfach zu bewerkstelligen ist, muss in größeren Organisationen tailormade in Strukturen und Prozessen abgebildet werden. Das Thema heißt im Kern: Delegation. Und damit ist nicht nur die Übertragung von Aufgaben an Mitarbeiter oder Teams gemeint, sondern auch die Übertragung der zugehörigen Verantwortung und den erforderlichen Kompetenzen.

Ein Zuwachs an Agilität und Effizienz für die Organisation und Qualität für die Mitarbeitenden ist nur möglich, wenn Kompetenzen ausgebaut, Entscheidungswege verkürzt und Prozesse vereinfacht werden. Wir brauchen eine Transformation hin zur Delegations-Kultur mit mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Das Wollen und Können muss, wo immer möglich, um das erforderliche Dürfen erweitert werden.

Dabei stellen Instrumente, wie flexible Organisationsstrukturen, Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice, digitale Vernetzung, agile Projektarbeit, New Work Communities … hohe Anforderungen an Führungskräfte, Teams und Mitarbeitende. Das bedeutet, dass Selbstorganisation nicht verordnet werden kann und nicht nur gut gemeint sondern auch, und vor allem, „gut gemacht“ sein muss.

Allem voran aber brauchen wir Führungskräfte, die es wagen sich – in der gewohnten Rolle – überflüssig zu machen, ohne überflüssig zu werden. Das verlangt Mut, Vertrauen und solides Handwerk.

 

„Erst die Balance aus Selbst- und Fremdbestimmung, mit einem deutlichen Ausschlag zu ersteren, lässt unser Leben gelingen.“

Helmut Glaßl

Fazit

Jede Veränderung birgt Risiken, Nichts zu verändern auch. Es sieht ganz danach aus, also ob es uns jetzt gelingen muss, in unserer (Arbeits-)Welt grundlegende Veränderungen vorzunehmen, um hoffen zu dürfen, dass damit die erforderliche Transformation gelingt. Dabei wird uns nichts anderes übrig bleiben, als dafür zu sorgen, dass unseren Schutzengeln nicht langweilig wird.


Wir beraten und begleiten Management und Führung, Teams und Mitarbeitende für eine gelingende Transformation der Organisation. Sprechen Sie uns an: www.MODERATIO.com


© 2020, Josef W. Seifert, MODERATIO

Die 10 Gebote der Besprechungsmoderation

Es gibt kaum eine Organisation, in der nicht über zu lange und ineffektive, ja langweilige und frustrierende Besprechungen und Sitzungen geklagt wird. Dabei würde es genügen, einige Regeln für den Leiter, oder besser den Moderator, einzuüben und zu beherzigen.

Gelingt dies nicht im Selbststudium, empfiehlt sich der Besuch eines entsprechenden Trainings; die investierte Zeit kommt in Form effektiverer Veranstaltungen vielfach wieder herein. Die folgenden 10 Gebote zeigen, als Anregung fürs Selbsttraining, worauf es ankommt.

1. Gebot Bereite Dich gut vor!

In der Praxis ist meist nicht die Zeit für eine umfassende Vorbereitung oder, besser (ehrlicher?) gesagt, man nimmt sie sich nicht.


Ein Mensch – dass ich nicht Unmensch sag – meint: ”Alles kann man, wenn man mag.” Vielleicht – doch gibt’s da viele Grade: Auch mögen können ist schon Gnade! 

Eugen Roth



Der Preis dafür ist in der Regel hoch. Die Zusammenkunft dauert länger als geplant und es kommt nichts oder nicht viel (zumindest nichts Konkretes) dabei heraus. Dabei ist eine gute Vorbereitung (mindestens!) „die halbe Miete“ für den Erfolg einer Besprechung. Zu einer guten Vorbereitung gehört zunächst, für sich zu klären, ob man von der zu moderierenden Gruppe überhaupt als Moderator akzeptiert wird! Bestehen diesbezüglich Zweifel, sollte man für Akzeptanz (z.B. durch offizielle „Berufung“) sorgen oder die Aufgabe nicht wahrnehmen.

Hat man sich entschlossen, zu moderieren, ist es ratsam, sich anhand einiger „harter Fragen“ vorzubereiten und zwar:

  • Inhaltlich: Worum genau geht es in der Besprechung? Was genau soll erreicht werden?
  • Methodisch: Wie will / kann ich die Gruppe zum Ziel führen? Was mache ich erst und was dann …?
  • Organisatorisch: Was muss vorbereitet sein?
  • Persönlich: Worauf muss speziell ich besonders achten: auf Neutralität, lautes Sprechen; …?

2. Gebot: Beginne positiv!

Zu einem positiven Einstieg gehört es, etwas „für den Bauch“ zu tun. Das heißt, es ist wichtig, ein positives Klima für die gemeinsame inhaltliche Arbeit zu schaffen. Das geht in aller Regel vor dem offiziellen Beginn leichter als danach. Ziel dieser Phase ist es, die Teilnehmer auch psychisch „da sein“ zu lassen. Wer hat es nicht schon erlebt, dass man (todmüde) ankommt und dann von wohlmeinenden „Geistern“ gleich mit allem Möglichen und Unmöglichen „überschüttet“ wird. Dabei wünscht man selbst (physisch anwesend) sich nichts sehnlicher, als erst einmal (psychisch) „anzukommen“. Das sprichwörtliche Gespräch über’s Wetter kann hier gute Dienste tun. Darüberhinaus ist es wichtig, pünktlich zu beginnen. Ist die Veranstaltung für 9.00 Uhr angesagt, so beginnt diese auch um 9.00 Uhr und nicht um 9.05 Uhr oder 9.12 Uhr. Die Anwesenden waren pünktlich und das muss belohnt werden!

3. Gebot: Lege das Ziel fest!

Nach der Begrüßung geht es darum, die Tagesordnungspunkte abzustimmen und die jeweilige Zielsetzung abzuklären. Oft wird gemäß dem Motto: „Wir wissen zwar nicht, wohin wir wollen, das aber mit ganzer Kraft“ drauflos gearbeitet, ohne zu wissen, worum es konkret geht. Die inhaltliche Arbeit sollte auf keinen Fall beginnen, bevor nicht Konsens über die Zielsetzung der Bearbeitung besteht. Es genügt hierzu nicht, dass (vermeintlich) „ja eh jeder weiß, worum es geht“. Das gemeinsam formulierte Ziel wird zum Thema visualisiert (vgl. 4. Gebot) und ist somit der „rote Faden“ für die Bearbeitung und damit für die Leitung/ Moderation der Veranstaltung.

4. Gebot: Visualisiere für alle sichtbar mit!

Die Visualisierung beginnt schon vor der Veranstaltung, spätestens aber bei deren Beginn, indem der Moderator das zu bearbeitende Thema aufschreibt. Am besten auf ein Flipchart, weil dieses (zu Beginn der Zusammenkunft an die Wand geheftet) sichtbar gehalten werden kann. Danach beginnt ein für alle sichtbares (Mit-)Visualisieren aller wichtigen Inhalte. Der erste Schritt ist – wie erwähnt – die Ergänzung des Themas / der Themen um die jeweilige Zielsetzung. Danach führt der Moderator dies während der gesamten Besprechung fort, indem er alle zur Bearbeitung wichtigen Inhalte sichtbar macht und wenn irgend möglich (durch anpinnen oder ankleben) sichtbar hält!

5. Gebot: Erläutere die Vorgehensweise!

Niemand käme auf die Idee, sein Haus zu bauen, ohne erst einen Plan dafür zu machen. In Besprechungen wird häufig zuerst das Haus gebaut und manch einer wundert sich am Ende, dass (wiedermal) nichts (Konkretes) herausgekommen ist.

Hier ist der Moderator aufgerufen, darauf zu drängen, dass nach Thema und Ziel auch der Weg verabredet wird, der zur Themenbearbeitung beschritten werden soll. Erst dann wird, nach eben dieser Absprache, das Thema bearbeitet. Der Moderator ist ab diesem Zeitpunkt „Anwalt“ der vereinbarten Vorgehensweise und verhilft ihr immer wieder „zu ihrem Recht“!

6. Gebot: Sei neutral!

Der Moderator ist dafür verantwortlich, dass die Gruppe zu einem Ergebnis kommt, nicht aber für dessen Qualität aus seiner Sicht. Er sollte sich zwar in die Inhalte hineindenken können, aber nicht inhaltlicher Experte sein. Ist er dies aber doch und darüber hinaus, wie in der Praxis so häufig, auch noch inhaltlich Betroffener, wird es für ihn schwierig sein, (gut) zu moderieren.

Geht es nicht anders, und er will oder muss die Veranstaltung – obwohl er inhaltlich „Aktien hat“ – leiten, so muss er versuchen, beiden Rollen gerecht zu werden. Er kann dies (wenn überhaupt) z.B. dadurch, dass er in der einen Rolle (Moderator) steht und in der anderen (Teilnehmer-Rolle) sitzt. Äußerst hilfreich kann es in dieser Situation sein, seine inhaltlichen Beiträge in Form von Fragen einzubringen und möglichst wenig direktiv zu wirken (vgl. 7. Gebot).*

7. Gebot: Führe durch Fragen!

Entscheidungen werden von den Betroffenen dann (am ehesten) mitgetragen, wenn diese sich in der Entscheidung wiederfinden. Dies kann nur der Fall sein, wenn sie auch gefragt wurden. Der Moderator kann seine Aufgabe deshalb nur aus einer „fragenden Haltung“, keinesfalls aus einer „Sage-“ oder „Besserwisser-Haltung“ heraus bewältigen. Er leitet die Gruppe (an), ist aber nicht inhaltlicher Entscheider! Nur in der Doppelrolle Moderator und Teilnehmer wird er sich inhaltlich einbringen. Um zu erfahren, was die Gruppe und der Einzelne in der Gruppe will, muss der Moderator aber auf jeden Fall mit (offenen) Fragen arbeiten. Am Ende seiner Sätze werden also nicht Ausrufe-, sondern Fragezeichen stehen. Statt: „Wir müssen aber auch noch den Aspekt …betrachten!“ fragt er: „Kann es sein, dass wir in diesem Zusammenhang auch den Aspekt … betrachten müssen?“

8. Gebot: Bleibe beim Thema!

Ein großes Problem in Besprechungen ist es, dass Themen immer wieder „zerredet“ werden. Hier profitiert der Moderator von seiner sauberen Vorarbeit beim Einstieg. Die gemeinsam formulierte Zielsetzung (vgl. 3. Gebot) gibt ihm immer (wieder) die Möglichkeit nachzufragen, ob das momentan Diskutierte zum Thema bzw. zur Zielsetzung passt, um so mit der Gruppe den „roten Faden“ zu behalten bzw. (immer wieder) wiederzufinden.

9. Gebot: Achte auf konkrete Vereinbarungen!

Der Moderator ist dafür da, dass der Witz: „Was ist eine Besprechung? Nun, es gehen viele hinein und es kommt nichts dabei heraus“ sich nicht bestätigt. Das bedeutet, dass er mit Akribie darauf zu achten hat, dass das angestrebte Ziel erreicht wird und konkrete Maßnahmen nach dem Muster: „Wer macht was bis wann?“ beschlossen werden. Hilfreich ist hierzu ein (vorab) visualisierter „Maßnahmenplan“ mit den entsprechenden Spalten, in die dann die Beschlüsse nur noch eingetragen werden. Der ausgefüllte Maßnahmenplan kann dann für einen „Maßnahmen-Check“ Element der nächsten Sitzung sein.

10. Gebot: Schließe positiv ab!

Die Teilnehmer sollen die Besprechung in positiver Stimmung und mit dem Vorsatz, die beschlossenen Maßnahmen in die Tat umzusetzen, verlassen. Hierzu kann ein ehrlicher Dank an die Gruppe und ein positiver Abschluss verhelfen. Dazu abschließend ein kleines Beispiel: Ich bin mir sicher, dass in den vorliegenden 10 Geboten für den Moderator der eine oder andere Tipp für Sie dabei ist, den Sie nutzen möchten, um Ihre Besprechung und Sitzung (noch) effektiver zu gestalten: Viel Erfolg!

 


© MODERATIO

Moderation & Beratung: Synonym oder Oxymoron

Moderation und Beratung werden synonym verwendet. Was aber hat Moderation mit Beratung zu tun?

Ausgehend von der These, dass ein Moderator zu dem jeweils zu bearbeitenden Thema „von Berufs wegen keine Meinung“ zu haben hat, kann man sich fragen, was Moderation mit Beratung zu tun hat. Das Typische an einem Berater ist doch gerade, dass er einem einen Rat gibt. Dies wiederum setzt voraus, dass er zum vorgetragenen Anliegen eine Meinung hat; im Idealfall sogar eine Expertenmeinung. Ist der Berater wirklich kompetent, so kennt er die Lösung für mein Problem und unterbreitet mir einen entsprechenden Lösungsvorschlag oder?

Was ist eigentlich Beratung?

Zunächst ist festzustellen, dass Beratung nicht eindeutig definiert ist und es keine klare Theorie von Beratung gibt. Beratung lässt sich aber in zwei große Bereiche einteilen: 1

  • Expertenberatung
  • Prozessberatung

Danach handelt es sich bei Expertenberatung um die Art von Beratung, bei der die Betroffenen ihr Problem an einen Berater (oder eine Beratergruppe) mit dem Auftrag übertragen, das Problem zu lösen oder zumindest ganz konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Das klassische Beispiel dafür ist die Expertise, das Gutachten eines Experten, etwa zur Echtheit eines Kunstwerkes. Auch die Beratung zur Anschaffung einer technischen Anlage und die Finanz- und Steuerberatung gehören hierzu.

Bei Prozessberatung hingegen geht es darum, dem Gegenüber zu helfen, sein Problem selbst zu lösen. Das Problem wechselt in diesem Fall den Besitzer nicht. Vielmehr geht es darum, den Prozess der Problemlösung zu gestalten. Gefragt ist nicht Fachkompetenz, sondern (vor allem) Methodenkompetenz. Zwei  Beispiele für Prozessberatung:

  • Das interne PE-Team eines Pharmaproduzenten will sich neu organisieren. Der Leiter der Abteilung möchte, dass die geeignete Organisationsform von den Teammitgliedern selbst erarbeitet wird, um eine möglichst hohe Akzeptanz und Effektivität der neuen Organisation zu erreichen.
  • Im neuen Logistikzentrum eines Computer-Distributors sollen Schnittstellenprobleme besprochen und Maßnahmen zur Optimierung der Zusammenarbeit beschlossen werden. Der Leiter des Zentrums kann die Probleme nicht „am grünen Tisch“ lösen. Die Problembearbeitung ist nur durch Aussprache und Absprache zwischen den Betroffenen vor Ort möglich. Der Vorgesetzte kann (nur) den Rahmen dafür schaffen und Hilfestellung für die / bei der Themenbearbeitung geben.

Welche Beratungsart ist wann sinnvoll?

Experten- / Fachberatung ist immer dann sinnvoll, wenn erforderliches Fach-Know-how im eigenen Hause fehlt und die Möglichkeit, dass jemand aus den eigenen Reihen „sich schlaumacht“, aus zeitlichen und / oder personellen Gründen, nicht möglich ist. Ist das Know-how zur Problemlösung jedoch vorhanden
oder kann man dies nicht kaufen und eine Lösung muss aus eigener Kraft gefunden werden, so ist Prozessberatung erforderlich, zumindest aber hilfreich.

In der Praxis gibt es zweifelsohne einen Überschneidungsbereich, eine Art der Beratung, die man „prozessorientierte Expertenberatung“ nennen könnte. Bei dieser Art der Beratung gibt der Berater fachliche Informationen zum Thema oder zeigt Lösungsalternativen auf, ohne jedoch (s)eine Lösung zu priorisieren.

Und was hat das Ganze mit Moderation zu tun?

Bei Prozessberatung und prozessorientierter Fachberatung ist das Erarbeiten einer Problemlösung durch die / mit den Betroffenen der Kern der Beratungstätigkeit. Die Betroffenen zu Rate zu ziehen erfordert seinerseits ein hohes Maß an Moderations- und Beratungskompetenz:

  • Moderationskompetenz zur Strukturierung der erforderlichen Gruppengespräche in Form von Projektgruppensitzungen, Workshops
  • Beratungsprozesses von der Auftragsklärung bis zur Reflexion des abgeschlossenen Projekts.

Wir nennen diese umfassende Art des Moderierens BusinessModeration.

Wie läuft BusinessModeration konkret ab?

Obwohl bei Prozessberatung / BusinessModeration der Weg beim Gehen entsteht, kann man den Ablauf klar in Arbeitsschritte unterteilen:

Schritt 1: Information

Jede Beratung beginnt damit, dass der Berater um Unterstützung bei der Lösung einer Aufgabe gebeten wird. Dieser Erstkontakt wird in aller Regel per Telefon stattfinden. Von dem Moment an, wo der (potenzielle) Kunde sein Anliegen äußert, beginnt für den Berater die Informationssammlung.

Dabei kommt es zunächst darauf an zu klären, ob man überhaupt der richtige Partner für den Klienten ist / sein kann. Hierzu können Fragen dienen, wie: Was konkret ist das Thema / die Aufgabenstellung? Ist es mir möglich, mich in die Problemstellung hineinzudenken – verstehe ich, worum es geht? Braucht der Gesprächspartner Fach- oder Prozessberatung? … oder beides? Kann ich / will ich helfen? Ist in diesem Erstgespräch eine Vorklärung gelaufen und man hat den Eindruck, (grob) verstanden zu haben, worum es geht, wird ein erstes persönliches Gespräch vereinbart. In diesem Gespräch geht es dann darum, noch mehr (Detail-) Informationen zu erhalten / zu erarbeiten, um sich ein noch klareres Bild davon machen zu können, worum es ganz konkret geht und wie eine mögliche Themenbearbeitung aussehen könnte. Fragen zur weiteren Konkretisierung könnten sein: Wer möchte das Thema bearbeitet haben und warum gerade jetzt? Wer ist vom Thema betroffen und in welcher Weise? Wer muss in die Themenbearbeitung (unbedingt) einbezogen werden? Wer könnte
versuchen die Arbeit zu be-/verhindern und aus welchem Interesse?…

Das Gespräch beim Kunden könnte gleich (oder in einem zweiten Schritt) ein moderiertes Gruppeninterview mit allen Beteiligten sein! Diese Arbeitsphase ist zu Ende, wenn der Berater ausreichend Informationen hat, deren Interpretation es ihm ermöglicht, ein Konzept zur Themenbearbeitung zu erstellen.

Schritt 2: Interpretation

Hat man als Berater sein Bild davon, was der Kunde möchte und wie man das Thema angehen könnte, ist es notwendig, das Ganze mit Abstand zu betrachten. Im Idealfall ist man dazu nicht allein, sondern im (Zweier-)Team. Man wird sich / einander dann fragen:

Aus welchen offiziellen Gründen soll das Thema bearbeitet werden? Wer will damit / darüber hinaus was erreichen? Wer ist vom Thema betroffen und in welcher Weise? Für wen ändert die Themenbearbeitung (möglicherweise) etwas und was? Was bedeutet das für denjenigen und für die anderen? Wer steht wie zu wem?…

Ziel dieser Arbeitsphase ist es, zu einer möglichst realistischen Einschätzung dessen zu kommen, was (wirklich) angestrebt ist, um darauf aufbauend ein treffendes und „anschlussfähiges“ Konzept zu erarbeiten.

Schritt 3: Konzeption

Mögliche Fragen zur Erstellung eines (Grob-)Konzepts auf der vorhandenen Datenbasis könnten sein:

Was möchten die Beteiligten erreichen und was kann unter den gegebenen Umständen erreicht werden? Was ist dazu die geeignete Vorgehensweise?

Das konkrete Moderations-Design hängt von der jeweiligen Zielsetzung ab. Die Er- / Überarbeitung einer Vision oder (Teil-)Strategie wird anders ablaufen (müssen) als die Optimierung eines Fertigungs- oder Dienstleistungsprozesses oder eine Konfliktmoderation.

Schritt 4: Präsentation

Das erdachte Konzept muss danach mit dem Auftraggeber abgestimmt werden. Hierzu stellen sich für die Prozessberater / BusinessModeratoren Fragen wie:

Wie präsentieren wir das Konzept so, dass (möglichst) keine Widerstände dagegen entstehen? Wie erreichen wir eine möglichst hohe Akzeptanz und Identifikation mit dem geplanten Vorgehen?…

Sinn und Zweck dieses Arbeitsschrittes ist die Präsentation und Abstimmung des erarbeiteten Konzepts mit dem Auftraggeber. Es wird präsentiert, diskutiert und gegebenenfalls „an Ort und Stelle“ modifiziert. Hierzu sind Fragen zu klären wie:

Ist alles berücksichtigt worden, was dem Auftraggeber wichtig ist? Kann das so (wie angedacht) funktionieren? Soll / muss das Konzept noch jemandem präsentiert werden, um unnötige Widerstände zu vermeiden?…

Am Ende der Präsentation steht der verbindliche Kontrakt für die konkrete Vorgehensweise / Intervention / Moderation.

Schritt 5: Intervention

Die Phase Intervention ist die zentrale Phase der Beratung. Jetzt wird das Thema / Problem in Angriff genommen. Dies beinhaltet in aller Regel die Durchführung eines Workshops oder einer Workshopreihe mit allen zur Themenbearbeitung notwendigen Organisationsmitgliedern.

Möglicherweise ist auch eine Großgruppen-Konferenz sinnvoll / erforderlich. Darüber hinaus ist häufig Coaching der entsprechenden Gruppe und / oder des Auftraggebers hilfreich / notwendig. Was konkret getan wird, wurde bereits in den Schritten 3 und 4 entschieden.

Schritt 6: Reflexion

Nach Abschluss der Intervention, des Workshops, … findet ein Treffen zur Reflexion der geleisteten Arbeit statt. Es geht dabei um die Fragen:

Haben wir erreicht, was wir erreichen wollten / sollten? Ist der Auftraggeber mit Ablauf und Ergebnis zufrieden? Wie geht es weiter – ist weitere Beratung gewünscht / sinnvoll? …

Dabei geht es nicht darum, einen weiteren Auftrag „an Land zu ziehen!, sondern darum, einen sauberen Abschluss des Projekts zu gestalten. Für die Betroffenen und den Auftraggeber muss deutlich werden, was geleistet und erreicht wurde und was ggf. offen geblieben ist. Möchte der Kunde zur weiteren Bearbeitung dieses oder eines anderen Themas Unterstützung, so beginnt ein neuer Beratungszyklus, bei dem die genannten Schritte erneut durchlaufen werden. In der Regel kann der eine oder andere Schritt aufgrund der jetzt vorhandenen Vorkenntnisse flotter abgearbeitet werden.

… und wann ist BusinessModeration erforderlich / hilfreich?

BusinessModeration ist als professioneller Beratungsansatz zur Situationsklärung und Themenbearbeitung immer dann in Betracht zu ziehen, wenn neben der ersten auch mindestens eine weitere der folgenden Aussagen zutrifft:

  • Es handelt sich um eine einmalige, zeitlich befristete Nichtroutine-Aufgabe.
  • Die Themenstellung ist offensichtlich, es ist aber (noch) nicht ganz klar, was konkret zu tun ist.
  • Die Bearbeitung des Themas / die Lösung des Problems kann oder soll nicht „einsam“ erfolgen, sondern der Einbezug
    möglichst aller Betroffenen ist erforderlich / gewünscht.
  • Jeder der Beteiligten soll / muss sich uneingeschränkt auf die inhaltliche Diskussion konzentrieren können.
  • Das zu bearbeitende Thema ist zu „heiß“ und / oder jeder der Beteiligten ist emotional stark involviert.
  • Es bestehen bereits „Fronten“ und / oder die Bearbeitung des Themas ist „festgefahren“.

BusinessModeration ist ein mächtiges Werkzeug zur eigenverantwortlichen Visions-, Strategie- und Optimierungsarbeit, von der „Zukunftskonferenz“ über „KVP-Arbeit“ bis zur Konfliktklärung. Sie baut dabei auf die Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Kreativität der Mitarbeiter und Führungskräfte und nutzt so vorhandenes Know-how für maßgeschneiderte Lösungen.

 

1) Eine Kategorisierung, die von Ed. Schein (der in der Tradition von Lewin und Mc Gregor am Massachusetts Institute of Technology in den USA tätig war) schon Ende der 60er Jahre eingeführt wurde.

2) Die MODERATIOnsMETHODE© ist in der MODERATIO®-Notiz 1 skizziert. Eine ausführliche Darstellung der Moderationstechnik finden Sie in: Josef W. Seifert, Visualisieren – Präsentieren – Moderieren, GABAL Verlag Offenbach sowie ergänzend in: Josef W. Seifert, Moderation und Kommunikation, GABAL Verlag

 


© MODERATIO