Jeder besitzt ein Schneckenhaus

Ein Beitrag von Josef W. Seifert:

In der Konfliktmoderation bekommen wir es einerseits damit zu tun, dass nun mal jeder „seine Art“ hat und der andere oft nicht verstehen – und vor allem nicht nachfühlen – kann, wieso der eine sich so und nicht anders verhält; aus welchem Grund jemandem dieses oder jenes so wichtig ist, wie der andere „tickt“. Und andererseits auch damit, dass „rote Knöpfe“ gedrückt wurden. Im folgenden möchte ich einige Gedanken hierzu anbieten und dazu ermutigen, im Beratungsprozess zur Konfliktklärung, nicht an der Oberfläche zu bleiben…

Samuel Widmer´s Kern-Schalen-Modell

Der Mensch kommt als absolut unschuldiges, lebensbejahendes, völlig schutzloses, auf Überleben programmiertes Wesen auf die Welt. Er braucht von Anfang an Nahrung und Pflege, Wärme und Zuwendung kurz: „die Andern“. Im Laufe des Heranwachsens erlebt der kleine Mensch, dass diese andern, in der Regel die Eltern, ganz im Gegensatz zu ihm selbst, scheinbar „alles können“, „alles wissen“ und „alles dürfen“. Er erlebt sich selbst zwangsläufig als klein und abhängig, wenig/er potent und weniger wert.

Dieses Erleben des eigenen Unvermögens, der eigenen „Minderwertigkeit“ und der Abhängigkeit vom Wohlwollen der andern gräbt sich so tief in sein Gedächtnis und in seine Seele, dass es nie mehr völlig verblassen wird. Je nach persönlicher Situation und individueller Verarbeitung, bleibt ein mehr oder weniger tiefes, diffuses Minderwertgefühl und Wissen um die Abhängigkeit von „den Andern“. Alfred Adler spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der erwachsene Mensch zudem seine Bedeutungslosigkeit im kosmischen Zusammenhang begreift, seine Kleinheit, Begrenztheit und Ohnmacht und dieses Wissen das Minderwertgefühl verstärkt. Zur Kompensation streben wir danach, einen „sicheren Platz“ im Leben zu erreichen und zu wissen, dass wir für lebenswert und liebenswert gehalten werden, dass wir „dazu gehören“ und uns „nichts mehr passieren“ kann, was freilich eine Fiktion bleiben muss.

Erschwerend kommt hinzu dass, wie umsichtig und wohlwollend Eltern, Erzieher, Lehrer, Freunde usw. auch immer sein mögen, wie intensiv das Bemühen um Zuwendung und Wertschätzung auch ausfällt, niemand vor Geboten und Verboten, Beschränkungen und Strafen, Ungerechtigkeit und Ohnmacht bewahrt werden kann.

Jeder Mensch wird im Laufe des Erwachsenwerdens Misserfolg, Zurückweisung, Enttäuschung, Einsamkeit und Schmerz erleben und Verletzungen der Seele zurückbehalten, die dann zum einen Teil „vernarben“ und zum andern Teil „sensible Stellen“ bleiben. Zum Teil werden diese Ereignisse vergessen, zum Teil verdrängt, zum Teil ein Leben lang erinnert.

Wir speichern aber nicht nur den Schmerz ab, den wir in der entsprechenden Situation erleiden mussten, sondern auch den Kontext, das Ganze „Drumherum“. Vielleicht den Ort, das Wetter, den Geruch, die Stimmen, Geräusche, die Stimmung. Das führt dazu, dass alte Gefühle auch dadurch wachgerufen werden können, dass wir an etwas erinnert werden, das wir im Zusammenhang abgespeichert haben. Man kann sich das vorstellen, wie den „Bohnerwachseffekt“. Man betritt einen Raum und es riecht nach Bohnerwachs: Schlagartig wird die Erinnerung wach, die wir damit verknüpfen. Man steht plötzlich im Klassenzimmer der Grundschule … Einen ähnlichen Effekt können Geräusche, Gesten, Worte haben.

Jeder von uns hat solche „Erinnerungsknöpfe“ die, einmal gedrückt, in Sekundenbruchteilen die Gefühlswelt einer vergangenen Zeit auferstehen lassen. Und es gibt neben den goldenen Knöpfen, die an gute Erinnerungen anknüpfen, eben auch rote Knöpfe, auf die niemand drücken darf, weil dadurch der alte Schmerz in Erinnerung gerufen würde.

Davor, dass jemand so einen roten „Weh-Knopf“ drückt, versuchen wir uns dadurch zu schützen, dass wir „Sicherungsschichten“ darum aufbauen. Wir tragen quasi einen hautengen, hautfarbenen Schutzanzug, der den anderen gar nicht auffällt und sie glauben lässt, sie würden uns ganz echt und authentisch sehen, ganz so, wie wir sind. In Wirklichkeit sehen sie nur das, was wir glauben zeigen zu sollen und nur das, was wir zeigen wollen (Anpassung). Von außen sieht man nur diese „öffentliche Person“. Unter diesem Schutzanzug tragen wir – für den Fall, dass uns jemand zu nahe kommt – ein Kettenhemd (Abwehr). Erst darunter liegt unsere empfindsame echte Haut (Schmerz) mit ihren Kratzern und Narben, die nicht berührt werden sollen. Diese wirkliche Haut umgibt und schützt das Innerste, unseren weichen Kern.

Wenn jemand sagt: „Das hat mich bis ins Mark getroffen!“, so meint er damit, das hat mein Innerstes berührt, das hat mich durch mehrere Schichten hindurch, tief verletzt, das hat meinen Kern getroffen.

Das hat meine Anpassungsschicht durchschlagen, meine Abwehr überwunden und meine, den Wesenskern umgebende Schmerzschicht erreicht.

Die Schichten kurz und bündig

Anpassungsschicht
Die äußerste Schicht ist die Alltagsschicht. Wir zeigen uns auf unsere individuelle Weise, mit den für uns typischen Charaktereigenschaften, die jeder sehen kann. Wir zeigen die Verhaltensweisen, mit denen wir erfahrungsgemäß gut durchs Leben kommen.

Abwehrschicht
Wir aktivieren Abwehrgefühle, wenn die Gefahr droht, dass jemand einen roten Knopf drückt oder jemand versehentlich einen gedrückt hat. Wir schützen uns durch Unverständnis, Überheblichkeit, Wut, Empörung, Anklagen usw. davor, jemanden zu nah an uns heranzulassen, weil Nähe immer auch Verletzlichkeit bedeutet. Im Konflikt agieren wir mit unserem Verhaltensrepertoire aus dieser Schicht.

Wehschicht
Hier sind die Verletzungen, die seelischen Kratzer, Narben und Wunden, von denen schon die Rede war, versteckt. Wir versuchen sie zu schützen, so gut es geht. Die „alten Sachen“ sollen möglichst nicht wieder hochkommen, nicht wieder (voll) bewusst und vor allem nicht noch einmal gespürt werden müssen.

Kern
Im Kern ist „das Auge des Orkans“, hier ist es ganz still, absolute Ruhe. Kein Argwohn, kein Neid, keine Angst. Ein Raum, den man nur für kurze Zeit betreten kann, vielleicht in einem Moment tiefster Entspannung, wenn man ganz „im Flow“ ist oder im tiefsten Glück, in Momenten der Erleuchtung.

 

Abb. – „Kern-Schalen-Modell“ nach Samuel Widmer

 

Konfliktmoderation

Im Konfliktdialog geht es prinzipiell darum, die „Hidden Feelings“, die verdeckten, verletzten Gefühle aufzudecken und besprechbar zu machen, die dem Konflikt Nahrung geben. Diese liegen in der Schmerzschicht und sind nicht offensichtlich.

Was die Konfliktparteien freiwillig zeigen, ist die angepasste „Alltagsschicht“ oder die aggressive „Abwehrschicht“, nicht aber die verletzen Stellen. Sie wehren sich dagegen, den Schmerz zuzulassen, indem sie um den Konflikt herum reden: „Nein nein, wir kommen im Prinzip schon ganz gut klar.“ (Anpassung) oder den andern anklagen: „Nein, mit Dir kann man nicht klar kommen, keiner kommt länger mit Dir aus!“ (Abwehr).

Diese Äußerungen sind „Türsteher der Schmerzschicht“, abwehrende Gefühle, die verhindern sollen, dass wir die Gefühle, die wir nicht haben wollen, nämlich die Schmerzen, spüren. Abwehrende Gefühle, wie Wut, Enttäuschung, Verachtung, geben dem einen Schuld und sprechen den anderen frei. Sie schaffen Ungleichheit und Distanz und entlasten den Sprecher vordergründig. Da sie aber verhindern, dass der Schmerz ausgesprochen und gefühlt wird, da er nicht offengelegt wird, kann er auch nicht bearbeitet werden.

In der Rolle des Moderators in der Konfliktklärung muss man sich klar darüber sein, dass aggressives Verhalten, wie etwa Ausweichen, Sarkasmus und Wut aus der Abwehrschicht kommen. Jemand hat bei einem anderen (wiederholt?) einen „roten Knopf gedrückt“ oder jemand hat Angst, dass bei ihm eine „sensible Stelle“ berührt werden könnte. Hat man das Gefühl, dass „Abwehr-Ping-pong“ gespielt wird und die Menschen es nicht schaffen, über ihre verletzen Gefühle zu sprechen, kann und sollte man dies über die Kommunikations- und Moderationstechniken „Fragen“, „Zuhören“, „Feedback“ und „Doubeln“ ansprechen und den Kontrahenten Gelegenheit geben, tiefer zu kommen.

Im Kern geht es letztlich immer darum, nicht für liebenswert – oder gar lebenswert – erachtet worden zu sein. Es geht um „die Würde des Menschen“. Die Verletzungen dieses „letzten Prinzips“ können sehr leicht sein, aber auch krass und sie können durch direkte Einwirkung aber auch dadurch entstanden sein, dass jemand (versehentlich) einen „roten Knopf“ gedrückt hat.

Der Weg dorthin führt über Formulierungen, die der Moderator einsetzen kann, wie: Ich fühle mich nicht gesehen, nicht geliebt, nicht gewürdigt, missverstanden, hängen gelassen, ungerecht behandelt, ausgestoßen, gedrängt, ausgegrenzt, ausgenutzt, verachtet, verletzt, beschämt, nicht gesehen, nicht gewürdigt, ohne Kontakt zu Dir.

Dabei geht es in der Konfliktklärung nicht darum zu ergründen, wieso jemand an dieser oder jener Stelle einen „roten Knopf“ hat, das wäre therapeutische Arbeit, sondern einzig darum, Verletzungen aufzudecken, besprechbar zu machen und wenn möglich, einen adäquaten Umgang damit zu (er)finden. Was im Einzelfall besprochen werden kann und besprochen werden soll, entscheiden die Betroffenen immer eigenverantwortlich für sich. Jeder besitzt ein Schneckenhaus und dahin muss er sich auch zurückziehen dürfen und Vorsicht: vielleicht hat es ja einen roten Klingelknopf…

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© Auszug aus: Seifert, Josef W. – „Konfliktmoderation“ – Gabal Verlag, Offenbach


PS: Die Ausbildung zum Buch: http://MKM.moderatio.com

Ratschläge für einen schlechten Moderator

Josef W. Seifert hat, in Anlehnung an Kurt Tucholskys Ratschläge für einen schlechten Redner, Ratschläge für einen schlechten Moderator formuliert, die man unter keinen Umständen beherzigen sollte.

Ratschläge für einen schlechten Moderator oder: So setzen Sie Ihr Meeting garantiert in den Sand

Wenn Kommunikation der Klebstoff ist, der Organisationen zusammenhält, dann ist jedes Gespräch ein Tropfen Klebstoff und jedes Meeting ein ganze Tube davon. Man sollte die Bedeutung von Meetings dennoch nicht überschätzen. Häufig ist der Moderator, die Moderatorin richtig gut darin, das Meeting zu einer frustrierenden Zeitverschwendung zu machen. Solltest du keine Idee haben, wie dies auch dir gelingen kann, halte dich an die folgenden 10 fundierten Grundsätze, und es wird klappen!

1. Starte möglichst nicht pünktlich!

Wähle für ein Meeting stets einen motivierenden Anfang. Dazu ist es beispielsweise hilfreich, sich bei den Anwesenden über die Unpünktlichkeit der noch fehlenden Teilnehmer zu beklagen. Noch besser ist es, die Pünktlichen einige Zeit auf die Unpünktlichen warten zu lassen. Dabei wirkt es sich günstig auf die Laune und Motivationslage der Anwesenden aus, wenn diese Wartezeit noch vor dem Eintreffen der Zuspätkommer beendet wird. Dazu kannst du Worte benutzen, wie etwa: „Also ich schlage vor, wir fangen jetzt trotzdem schon mal an, wer weiß, ob die noch kommen!“ Dieses Vorgehen ist tausendfach erprobt und führt regelmäßig zu extrem guter Stimmung. Diese wirkt sich dann auch gegenüber den Zuspätkommern positiv aus. Idealerweise ist das Timing so, dass diese kommen, just nachdem das Meeting begonnen hat.

2. Kläre am Anfang nicht, was jedem klar sein müsste!

Du solltest zudem zu Beginn eines Meetings unbedingt darauf verzichten, zu klären, aus welchem Grund und zu welchem Zweck das Meeting stattfindet. Das kostet nicht nur unnütz Zeit, es beleidigt auch den Intellekt der Anwesenden. Wer bitte weiß denn nicht konkret, wieso und wozu er gekommen ist? Und wenn die Vorstellungen davon nicht deckungsgleich sein sollten, was ja eher unwahrscheinlich ist, so ist während des Meetings ja immer mal wieder Zeit und Gelegenheit, darüber zu streiten, was Sinn und Zweck der Zusammenkunft ist. Sollte sich dann herausstellen, dass es wider Erwarten unterschiedliche Vorstellungen gibt, und man bis dorthin von „falschen Tatsachen“ ausgegangen ist, kann man ja immer noch eine Schleife drehen und das eine oder andere Thema nochmal besprechen. Das Wichtigste ist am Anfang, voran zu kommen, und da würde die Klärung von Anlass, Zielsetzung, Zeitrahmen und geplanter Vorgehensweise nur unnütz bremsen. Sollte das Meeting eh schon verspätet begonnen haben, ergibt es ja doppelt keinen Sinn, Zeit mit derartigem Vorgeplänkel zu verplempern.

3. Verzichte auf eine Themensammlung!

Nach dem Einsteigen sollte man „straight forward“ das erste Thema besprechen, das aufpoppt. Was nützt es denn, zu versuchen, erst zu klären, was überhaupt alles zu besprechen ist, wenn die Energie der Gruppe längst in den Details eines offensichtlich interessanten Aspekts ist? Geh mit der Weisheit der Gruppe, nutze die Schwarmintelligenz und respektiere die Selbstorganisationskräfte des Systems. Was „sonst noch“ auf die Agenda muss, kann man ja immer noch klären, das läuft ja ganz sicher nicht weg. Sollte sich am Ende herausstellen, dass das wichtigste Thema aus Zeitgründen nicht oder nicht ausreichend bearbeitet werden konnte, muss man halt ein neues Meeting ansetzen.

4. Nimm die Bearbeitungsreihenfolge, die sich ergibt!

Würde man nach dem Einsteigen die zu besprechenden Themen sichten, nach Wichtigkeit oder Dringlichkeit priorisieren und das „heißeste“ Thema zur Bearbeitung auswählen, dann wäre sichergestellt, dass man die Zeit nicht mit der Diskussion weniger wichtiger oder dringlicher Themen zubringt, aber mal ehrlich, ist der Moderator dafür verantwortlich, dass klar ist, was besprochen werden muss? Ganz klar nein, der Moderator hat keinen Erziehungsauftrag für Erwachsene! Er geht immer mit der Energie der Gruppe und verweist im Zweifel darauf, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist, weil es eben so gekommen ist. Es gilt die Selbstorganisationskräfte der Gruppe nicht nur zu respektieren, sondern auch zu nutzen. Dass es dabei auch zu chaotischen, gruppendynamischen Phasen kommen kann, das liegt nun einmal in der Natur der Sache.

5. Erschwere die Arbeit nicht durch Bearbeitungsraster!

Wenn die Teilnehmer sich explizit, etwa mittels Punkteabfrage, oder auch spontan oder vielleicht auch fließend, im dynamischen Kommunikationsfluss, für die Bearbeitung eines Themas entschieden haben, sollte das Gespräch nicht durch quälende Fragen wie etwa nach der Zielsetzung der jeweiligen Themenbearbeitung belastet werden. Der Moderator ist zur Begleitung des Kommunikationsprozesses und zur Erleichterung der Themenbearbeitung da und nicht, um den Teilnehmern durch Metakommunikation und Methodenvorschläge auf die Nerven zu gehen.

6. Plane, aber niemals konkret!

Wenn eine Themenbearbeitung abgeschlossen ist, können Maßnahmen vereinbart werden. Falsch wäre es allerdings, explizit danach zu fragen, ob etwas zur Sache vereinbart werden soll, und gegebenenfalls was. Ein geradezu fataler Fehler wäre, konkrete Formulierungen für Vereinbarungen einzufordern, die den Beteiligten mögliche Freiheitsgrade zur Auslegung und Ausgestaltung im Nachgang der Veranstaltung einschränken. Der Gipfel der Inkompetenz und Selbstüberschätzung ist es allerdings, wenn du als Moderator nach Möglichkeiten für einen „Check“ fragen würdest, also danach, wie die Versammelten jemals erfahren werden, was aus der Vereinbarung wurde. Das würde ja geradezu unterstellen, dass Maßnahmen häufig nicht nachgehalten werden und versanden. Eine derartige Unterstellung würde als destruktiv, ja geradezu als aggressiver Akt erlebt.

7. Halte den Abschluss möglichst schlicht!

Ist die geplante Zeit überschritten und / oder die Energie der Gruppe neigt sich dem Ende zu, sollte man das Meeting beenden. Dabei ist tunlichst auf eine Reflexion des Miteinanders und der Zufriedenheit zu verzichten. Dies würde nur zu fruchtlosen Diskussionen und am Ende noch zu unnötigen Konflikten führen! Wenn das Meeting zu Ende, ist es zu Ende. Da ja eh jeder weiß, dass die Zusammenkunft nun vorbei ist, ist ein schlichtes „OK, damit sind wir am Ende!“ als Abschluss völlig ausreichend. Es bleibt den Teilnehmern ja unbenommen, sich im Hinausgehen oder im Nachgang noch über Verlauf und Ergebnis auszutauschen. Du weißt als emphatischer Moderator ja eh, was gut und was weniger gut lief, welchen dieser Ratschläge du wie gut beherzigt hast, und welchen weniger, und worauf es daher beim nächsten Treffen besonders ankommt …

Und: 8. Zeige dich stets betont selbstbewusst!

Und noch etwas ganz Grundsätzliches: Gib dich stets einen Tick arrogant, ja vielleicht sogar übertrieben selbstsicher, das stärkt deine Position. Die Menschen lieben starke Persönlichkeiten, sie finden das sympathisch und es hilft ihnen, ihren Platz in der Gruppe zu finden. Der Nutzen einer klaren Hackordnung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auf dieser Basis solltest du stets mitdiskutieren und wichtig: entscheiden! Sollten sich trotz deines energischen Auftretens Widerstände gegen deine methodischen oder inhaltlichen Positionen entwickeln, solltest du dich nicht damit auseinander setzen, sondern sofort damit drohen, die Moderation niederzulegen.

9. Verzichte bewusst auf Neutralität in der Sache!

Methodische und inhaltiche Meinungsslosigkeit wird dir als Schwäche ausgelegt: „Der hängt sein Fähnchen nach dem Wind!“ heißt es dann. Jeder Teilnehmer wünscht sich (insgeheim), dass der Moderator sagt, wo es lang geht, was zu tun und was zu lassen ist. Die vielbeschworene Neutralität des Moderators hilft da nicht wirklich weiter. Sag also klar deine Meinung zum jeweiligen Thema. Sag, wo du stehst und was du von der einen oder anderen Meinungsäußerung hältst. Das zieht dich zwar möglicherweise in die Diskussion hinein und du verlierst etwas deine Vermittlerposition, aber wem hilft ein Vermittler zwischen den Sichtweisen, wenn niemand die richtige Sicht auf die Dinge hat? Und wer soll sagen, was richtig ist, wenn nicht der Neutrale?

10. Sorge für glasklare Machtverhältnisse!

Wenn es nicht so läuft, wie du dir das vorstellst, nutze die Geheimwaffe des Moderators, gib Feedback! Feedback ist eine Rückmeldung darüber, wie das Verhalten von jemandem auf dich wirkt. Eigentlich sollte sich Feedback auf eine Sache oder Handlung beziehen und der Empfänger sollte es erwarten können. Im Idealfalle hat er darum gebeten: „Wie geht es Ihnen damit?“, „Was halten Sie davon?“ oder „Wie hat mein Verhalten auf Sie gewirkt?“ … sind Formulierungen, die dazu auffordern, Feedback zu geben. Im vorliegenden Falle kommt es aber darauf an, dass du es spontan und für den Empfänger unerwartet gibst. Es schüchtert den anderen dann ein, wenn er es als Angriff erlebt, überrumpelt ist und nicht sofort etwas dagegensetzen kann. Hilfreich ist auch, es möglichst pauschalierend zu äußern, so dass der Empfänger keinen Gegenbeweis antreten kann, da es ja keinen konkreten Vorwurf gibt. Also etwa so: „So wie Sie argumentieren, kommen wir nicht weiter, das ist Ihnen hoffentlich klar!?“

Im Anschluss daran, sollte eine deutliche Forderung kommen, was jetzt zu tun und was zu lassen ist. Das bringt Ruhe in den Laden und gibt Orientierung. Zudem wird einmal mehr deutlich, wer hier der Moderator ist.

Und … nutze diese Ratschläge nur, wenn du auch wirklich ein ineffektives Meeting haben willst!

FAZIT: Kann es sein, dass dir das eine oder andere in der Praxis schon mal begegnet ist? Wie dem auch sei, wenn du ein richtig guter Moderator, eine gute Moderatorin sein oder werden möchtest – und das wäre wirklich wünschenswert! – dann halte dich an das Gegenteil dieser Ratschläge. Ich wünsche dir jedenfalls: Viele gelungene Meetings!

Ihr/Euer/Dein
Josef W. Seifer

PS: Der Buchtipp zum Thema ;O)


© 2023, MODERATIO

Systemisches Konsensieren

In der Businessmoderation streben wir bei Gruppenentscheidungen Konsens an, dennoch ist es nicht immer möglich, diesen auch zu erreichen. Der klassische, methodische Ausweg ist die Mehrpunktabfrage, die darauf abzielt, die Abstimmung möglichst „weich“ zu gestalten. Eine alternative Entscheidungsmethode, ist das sogenannte Systemische Konsensieren – wir stellen es kurz vor.

Sinn und Zweck

Mehrheitsentscheide sind in der Businessmoderation tabu. Angestrebt wird ein Konsens, der durch den Dialog der Beteiligten erreicht wird. Überall dort, wo es nicht möglich ist, Konsens herzustellen, werden Entscheidungsverfahren eingesetzt, die eine Gruppenentscheidung einer Konsensentscheidung möglichst weit annähern. Dadurch soll der unvermeidliche Gewinner-Verlierer-Effekt demokratischer Entscheidungen vermieden, beziehungsweise weitestgehend „abgefedert“ werden. Systemische Moderation nutzt als klassische Entscheidungsverfahren die Einpunkt- und die Mehrpunktabfrage. Dabei wird eine durch den Moderator gestellte Entscheidungsfrage, durch Kleben eines oder mehrerer Punkte, beantwortet. Das unter dem Begriff „Systemisches Konsensieren“ bekannt gewordene Entscheidungsverfahren für Gruppen, ergänzt die klassischen Entscheidungsmethoden der Businessmoderation, um eine Variante, die eine weitergehende, maximale Annäherung an eine Konsensentscheidung ermöglichen will.

Das Verfahren

Ausgangspunkt des Konsensierens ist eine zu treffende Entscheidung, zwischen mehr als zwei Alternativen. Diese werden vom Moderator visualisiert und dann von der Gruppe bewertet. Aus dieser Bewertung ergibt sich die Entscheidung. Für die Bewertung vergibt jedes Gruppenmitglied je Lösungsalternative einen „Widerstandwert“ von 0 bis 10. Je größer die Ablehnung der jeweiligen Alternative, desto höher der Wert. Eine „0“ steht für „Null Widerstand“ und eine „10“ für maximale Ablehnung. Haben alle Beteiligten ihre Werte vergeben, ergibt sich für jede Lösungsalternative ein Gesamtwiderstandwert als „Gruppenwiderstand“. Die Alternative mit dem niedrigsten Widerstandwert hat gewonnen.

Ein Beispiel

Das Team eines Start-up-Unternehmens überlegt, wie das anstehende Firmenjubiläum begangen werden soll.

Schritt 1
Um zu einer Entscheidung zu gelangen frägt der Moderator erst – per Zuruf – die denkbaren Alternativen ab.

Mögliche Frage: „Wie könnten wir unsere Jubiläumsfeier begehen?“

Mögliche Antworten:

  • Große Feier mit Kunden
  • Kleine Feier mit Angehörigen
  • Kleine Feier unter uns
  • Keine Feier

Schritt 2
Jeder Teilnehmer vergibt für jede der vier denkbaren / vorgeschlagenen Alternativen einen Widerstandswert zwischen 0 und 10. Wie bereits erwähnt, steht dabei die 10 für maximalen Widerstand im Sinne von „Nie und nimmer!“ und die 0 steht für minimalen Widerstand, nach dem Motto: „Null Problemo!“

Schritt 3
Im dritten Schritt addiert der Moderator die vergebenen Werte je Alternative, wodurch die Widerstandswerte der Gruppe gegen die einzelnen Alternativen sichtbar werden. Die Alternative mit dem niedrigsten Widerstandswert ist die von der Gruppe gewählte. Im Beispiel ist dies die „Kleine Feier unter uns“.

Vorteile – Nachteile

Das Systemische Konsensierens ergibt auf den ersten Blick vor allem den Vorteil, dass es die Teilnehmer, durch die Skalierung in 10 Werte, zu einer differenzierten Betrachtung der Alternativen „zwingt“ und so einem Schwarz-weiß-denken entgegen wirkt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, diese Differenzierungsmöglichkeit auch zu nutzen. Offen bleibt zwangsläufig, wieviel Differenzierung zulässig oder ausreichend ist.

Wer nun glaubt, mit dieser Methode ausschließen zu können, dass ein Teilnehmer sich in der so getroffenen Entscheidung gar nicht wiederfindet, ist im Irrtum. Was wäre etwa mit Teilnehmer „F“ bei Alternative „Kleine Feier unter uns“, wenn die Teilnehmer „A“ bis „E“ eine „0“ vergeben hätten, er hingegen eine „10“?

Zudem stellt sich die Frage, ob diese fix abgestufte Bewertung tatsächlich zu einer differenzierteren Betrachtung der Alternativen und einer „konsenseren“ Entscheidung führt, als die klassische Mehrpunktabfrage, bei der die Differenzierung stufenlos möglich und ein Berechnen von -wie auch immer gearteten – Werten nicht vorgesehen ist.

Weit schwerer fällt allerdings ins Gewicht, dass derjenige, der überstimmt wird, sich in einer äußerst dummen Argumentationslage wiederfindet. Im Grunde muss er nämlich, egal wie wenig er für etwas ist, nicht dagegen sein und das schon gleich gar nicht so entschieden, wie wenn er in diesem Verfahren eine „10“ vergeben hat und mit seiner Meinung dann alleine bleibt. Da wird es schwer, ohne Gesichtsverlust zu sagen: „Ich bin nicht dafür aber ok, ich kann mitgehen!“

Ein weiterer „Knackpunkt“ des Systemischen Konsensierens ist der, dass das Verfahren die Aufmerksamkeit der Teilnehmer, statt in Richtung Gemeinsam-keiten und Konsens, auf Unterschiede und den größten Dissens lenkt.

„Leben ist das, was man so den Tag über denkt.“ sagt Horst Eckert alias Janosch und Gunther Schmidt sagt zum selben Sachverhalt sinngemäß: Wirklichkeit entsteht durch Aufmerksamkeitsfokussierung und das jede Sekunde neu.
Dieses Phänomen entsteht dadurch, dass wir ständig mit Informationsangeboten überschüttet werden und kontinuierlich selektieren müssen. Wir differenzieren dann zwischen Information und Exformation, zwischen den Unterschieden, die einen Unterschied für uns machen und solchen, die keinen Unterschied machen.

Der größte Schönheitsfehler am Konsensieren ist daher die Aufmerksamkeitsfokussierung auf den Aspekt Ablehnung. Die Aufmerksamkeit wird auf das fokussiert, was der einzelne nicht will. Da es Sinn und Zweck des Verfahrens ist, Konsens möglichst nahe zu kommen, ist die Konzentration auf Ablehnung und Widerstand eine un-nötiger Umweg.

Im Sinne der Aufmerksamkeitsfokussierung darf man sogar vermuten, dass dieses Vorgehen, dem Willen sich zu einigen, emotional eher die gegenteilige Wirkung erzeugt.

Die Alternativen

Positives Konsensieren
Stellt man das Systemische Konsensieren von einem negativen Vorzeichen auf ein positives Vorzeichen um, so erhält man ein „Positives Konsensieren“: Der Moderator fragt statt nach dem Grad des Widerstandes, nach dem Grad der Zustimmung zu den zur Wahl stehenden Alternativen.

Durch das Fragen nach dem Grad der Zustimmung für die einzelne Lösungsalternative, wird die Aufmerksamkeit des einzelnen schon durch die gewählte Methodik bzw. Fragestellung auf das gewünschte Miteinander fokussiert statt das Negative zu betonen.
Wenn der Moderator die Kunst der Fragetechnik beherrscht, kann er zudem so geschickt, fragen, dass der einzelne maximale Freiheitsgrade für seine Entscheidung hat. Fragt er nicht absolut: „Wieviel Zustimmung haben Sie für die Alternativen?“ sondern etwa: „Wieviel Unterstützung kann ich der Alternative beim aktuellen Stand der Diskussion geben?“, muss sich der Teilnehmer beim Rating nur für den Augenblick festlegen und kann sich gegebenenfalls ohne Gesichtsverlust neu entscheiden. Ein Mitgehen mit der Mehrheit in Richtung Konsens, wird erleichtert …

Paarvergleich
In der Moderation reicht in aller Regel eine gut durchdachte Ein- oder Mehrpunktfrage aus, um Entscheidungen vorzubereiten oder auch zu fällen. Auch das Konsensieren kann als Mehrpunktabfrage gestaltet werden. Wenn es um die Entscheidung zwischen Alternativen geht, die unveränderbar sind oder (in diesem Schritt) nicht in Frage gestellt werden sollen, reicht dies aus.

Wenn es jedoch nicht nur darum geht, sich zwischen Alternativen zu entscheiden, also einer Frage, wie: „Welches Kopierer-Modell sollten wir uns an-schaffen?“ oder „Wie groß ist Ihr Interesse an welchem Modell?“, sondern darum, das Modell erst zu finden, das für unser Team optimal ist und daher gefragt werden muss: „Was sollte unser neuer Kopierer können?“, dann reicht eine einfache Punkteabfrage nicht aus.

In diesem Fall muss eine Entscheidungsmethode zum Einsatz kommen, die es ermöglicht, die Entscheidung über das Abwägen von Anforderungen an das „Produkt“ zu treffen. Für das Kopierer- Beispiel von eben könnte die Frage lauten: „Was sollte unser neuer Kopierer können?“

Mögliche Antworten:

  • Vollfarbe
  • DIN A3
  • Scannen
  • Als Netzwerk-Drucker nutzbar
  • Kann Blätter heften

Wenn kein Modell zur Wahl steht, das all diese Anforderungen erfüllt, oder der Budgetrahmen für ein entsprechendes Gerät nicht ausreicht, müssen Abstriche gemacht werden, aber welche? Das, auch als „Entscheidungsstift“ bekannte, vergleichen von Alter-nativen, der sogenannte Paarvergleich (vgl. etwa Seifert 2015, Seite 86 f), er-möglicht eine Gruppenentscheidung, unter Berücksichtigung der gegebenen Anforderungen. Dazu wird jede Alter-native mit jeder anderen vergleichen (vgl. Abb.) und so „ganz nebenbei“ die Entscheidung entwickelt. Sind die Teilnehmer Experten für die zu entscheidende Sache (im Beispiel würden sie also alle die verfügbaren Kopiergeräte und deren Spezifikation kennen) dann könnte der Paarvergleich auch direkt mit den einzelnen Kopiergerätetypen durchgeführt werden.

Der große Vorteil dieses Verfahrens ist dann, dass jeder Beteiligte methodenimplizit seine ganz persönliche Rangreihe der verfügbaren Alternativen erarbeitet. Auf diese Art kann sich niemand auf nur eine Alternative festlegen und (sich) blockieren, wie es etwa beim „Konsensieren“ dadurch möglich ist, dass man für seinen Favoriten „0“ und alle anderen Alter-nativen einen hohen oder sehr hohen Wert vergibt.

Der Paarvergleich kommt so dem An-liegen des Konsensierens am Nächsten, er verhindert wirksam, dass Gewinner und Verlierer produziert werden. Viel-leicht ist der Paarvergleich ja das bes-sere „Konsensieren“?

Fazit

Der Moderator ist für den Methodeneinsatz verantwortlich. Er entscheidet, ob er, wofür er und wie er eine Methode nutzen möchte oder eben auch nicht. Das Systemische Konsensieren ist eine Methode, zu der es Alternativen gibt – Wie entscheiden Sie sich?

Verwendete Literatur:

  • Georg Paulus et. al., Systemisches Konsensieren,
    Danke Verlag, Holzkirchen 2013
  • Josef W. Seifert, Besprechungen erfolgreich moderieren,
    Gabal Verlag, Offenbach 2015

© 2018, MODERATIO

Moderation: Was ist das eigentlich?

Moderation ist ein viel gebrauchter Begriff: Die Moderation im Fernsehen dürfte hierfür das populärste Beispiel sein. Was aber bedeutet der Begriff wirklich? Und was bedeutet er im Zusammenhang mit betrieblicher Bildung, Personalentwicklung, Unternehmens- oder Organisationsentwicklung?

Der Begriff „Moderation“ ist ein Urwort des Menschen, das zu unterschiedlichen Zeiten für Unterschiedliches stand. Verfolgt man das Wort Moderation vom Maß der Griechen über das Augenmaß der Römer, die Mäßigkeit der Mönche, die Maße des mittelalterlichen Richters, den maßvollen Fürsten bis hin zum mittelmäßigen Bürger und dem unmäßigen Schwätzer in unseren Tagen, so hat Moderation immer etwas mit Messen, Maß halten, Mäßigen zu tun gehabt (vgl. Ziegler 1992). Dies trifft auch heute den Bedeutungskern. Verwandt wird der Begriff „Moderation“ heutzutage vor allem in den Bereichen Unterhaltung und Information sowie Lernen und Problemlösungsarbeit in Organisationen.

Im Bereich der Unterhaltung, zum Beispiel im Rahmen einer Rundfunksendung, geht es darum, „die Kommunikation entsprechend bestimmter sendedramaturgischer Vorstellungen zu einem spannenden, kurzweiligen, informativen und unterhaltsamen Sendeganzen zu synthetisieren“ (Troesser 1986, S. 293), salopp ausgedrückt verfolgt man das Ziel, die Menschen zu informieren und / oder ihnen „die Zeit zu vertreiben“.

Im Bereich der Information, etwa im Rahmen von Kongressen, geht es darum, zwischen den einzelnen Veranstaltungsteilen oder -beiträgen „rhetorische Brücken“ zu bauen und durch Fragen, Provokation oder Ähnlichem den Erkenntniswert der Veranstaltung zu fördern.

Im Bereich des Lernens ist Moderation eine „Lehrmethode“, mit deren Hilfe Lernende gemeinsam ein Wissensgebiet (oder einen Aspekt daraus) bearbeiten. Der Lehrer übernimmt dabei die Rolle des Moderators, der der Gruppe hilft, ihr Wissen zu strukturieren, ohne dass er selbst inhaltlich mitarbeitet.

Bei der Problemlösungsarbeit hingegen geht es darum, Betroffenen zu helfen, im Rahmen eines Gruppengesprächs ein gemeinsames Problem zu lösen. Der vorliegende Text behandelt diesen Bereich.

Die Moderation von Gruppen

Ein zentrales Mittel zum Finden von Problemlösungen ist in modernen Organisationen das Gruppengespräch, das dazu dient, Problemstellungen zu erörtern und Beschlüsse zur Problemlösung zu erarbeiten. Da Beschlüsse immer dann am tragfähigsten sind, wenn sich alle Beteiligten darin wiederfinden, ist es wichtig, dass die entsprechenden Gespräche angeregt und lebendig sind, jeder zu Wort kommt und seinen Standpunkt vertreten kann. Damit es dann aber nicht zum unmäßigen Geschwätz oder gar zum Streitgespräch wird, muss es gemäßigt, gezügelt also, moderiert werden.

Je stärker der Einzelne inhaltlich betroffen und „von seiner Sache überzeugt“ ist, desto schwieriger ist es für ihn, sich neutral zu verhalten, Meinungen einander gegenüberzustellen und sich und damit das Gespräch zu mäßigen, zu moderieren. Im Idealfalle wird deshalb ein „neutraler Dritter“ damit betraut, die Gruppenmitglieder zu moderieren und den Gesprächsverlauf zu strukturieren. Diese Person ist dann der Moderator. Von Moderation spricht man im Zusammenhang mit Gruppengesprächen allerdings nur dann, wenn der Leiter / Moderator mit der sogenannten MODERATIOnsMETHODE© arbeitet.

Die MODERATIOnsMETHODE©

In den 60er Jahren wurde vom „Quickborner Team“ (einer Unternehmensberatungsgesellschaft) und dessen Folgeorganisationen eine spezielle Art entwickelt, Gruppengespräche zu gestalten. Es entstanden die „Metaplan-Methode“ und die „Moderationsmethode“. In der Folge wurden von vielen Beratern und Trainern Variationen entwickelt und geschult. Meist wurde dafür die Bezeichnung „Moderationsmethode“ benutzt. Was heute unter dieser Universalbezeichnung angeboten wird, ist nahezu unüberschaubar. Selbst die einschlägige Literatur ist äußerst unterschiedlich in ihrer Darbietung der Thematik. Will man Orientierung darüber gewinnen, welche Ansätze praktische Relevanz erlangt haben, kann man sich im Grunde nur auf die Standardwerke der Moderationsliteratur stützen. Hierzu muss – mit zwischenzeitlich weit über 500.000 (in mehreren Sprachen) verkauften Exemplaren – zweifelsohne auch „Visualisieren – Präsentieren – Moderieren“ 1 aus dem GABAL Verlag gezählt werden. Die dort dargestellte Methodik basiert auf der klassischen Moderationsmethode nach Klebert2. Sie ist ergänzt um ein Strukturmodell, den MODERATIOns- ZYKLUS©, zur Strukturierung einer gesamten Moderation und um zusätzliche Methoden zur Themenbearbeitung.

Diese von MODERATIO® „komponierte“ und seit vielen Jahren vermittelte spezielle Art der Gestaltung von Gruppengesprächen nennen wir MODERATIOnsMETHODE©.

Sie ist gekennzeichnet durch sieben wesentliche Merkmale:

  1. Spezifische Sitzordnung /Raumgestaltung
  2. Spezielle Medien und Hilfsmittel
  3. Arbeiten nach dem MODERATIOnsZYKLUS©
  4. Prozessbegleitende Visualisierung
  5. Arbeiten mit speziellen Problemstrukturierungsmethoden
  6. Einnehmen einer speziellen Grundhaltung
  7. Nutzen einer speziellen Fragetechnik

Die integrative Kombination aller Merkmale schafft die besten Voraussetzungen für den Erfolg einer Moderation.

1. Spezifische Sitzordnung / Raumgestaltung

Bei der Gestaltung von Gesprächen nach der MODERATIOnsMETHODE© arbeitet man im Workshop1 ohne Tische, im offenen Stuhlkreis. Dies hat verschiedene Vorteile:

  • Jeder kann jeden sehen und unmittelbar mit ihm kommunizieren.
  • Die physische Barriere zwischen den Teilnehmern fällt weg; man sitzt sich „offen“ gegenüber.
  • Jeder kann (im Bedarfsfalle) ungehindert nach vorne zu den Medien gehen und etwas visualisieren.

Wichtig ist, dass die Teilnehmer nicht wie im Kino hintereinander oder wie in der klassischen Konferenzsituation nebeneinander, sondern einander zugewandt sitzen.

Kleine Ablagetische zwischen den Stühlen können durchaus hilfreich sein.

2. Spezielle Medien und Hilfsmittel

Moderation bedarf spezieller Medien und Hilfsmittel 2. Diese sind:

  • Pinnwand
  • Flipchart
  • Moderationsmaterial

Der Einsatz dieser Medien und Hilfsmittel ermöglicht das Arbeiten mit speziellen Techniken, wie etwa der bekannten „Kartenabfrage“.

 3. Arbeiten nach dem MODERATIOnsZYKLUS©

Der MODERATIOnsZYKLUS© ist ein Strukturmodell (vgl. Seifert 2004, Visualisieren, Präsentieren, Moderieren, S.98) für den Ablauf einer kompletten Moderation. Er teilt die Arbeitszeit der Gruppe in die „Zeitscheiben“: Einsteigen, Sammeln, Auswählen, Bearbeiten, Planen und Abschließen und gibt damit eine klare Struktur für die gemeinsame Arbeit vor.

 4. Prozessbegleitende Visualisierung

Moderation lebt von Visualisierung. Sowohl die Ergebnisse als auch der Verlauf der gemeinsamen Arbeit werden „schwarz auf weiß“ festgehalten. Warum ist das wichtig? Nun, „im normalen Sprechverkehr kann ein Zuhörer maximal 8 bit/sec verstehend empfangen. Der Sprecher ist jedoch in der Lage, etwa 60 bit/sec zu erzeugen. Das bedeutet, dass Sprechen in informativer Absicht hochredundant sein muss“ (Lay 1978, S. 150). Da dies aber die wenigsten von uns in einem (vielleicht hitzigen) Gruppengespräch beherzigen (können), muss die Information komprimiert und visualisiert werden, um das einmal Gesagte dauerhaft zur Verfügung zu haben. Wesentlich ist, dass die Visualisierung kontinuierlich für alle Gesprächsteilnehmer sichtbar sein muss. Dadurch ist die Nutzung von Overhead-Projektoren ausgeschlossen; es werden die bereits angesprochenen Medien Pinnwand und Flipchart verwendet.

5. Arbeiten mit speziellen Problemstrukturierungsmethoden

Zur Strukturierung und Visualisierung der gemeinsamen Arbeit stellt die MODERATIOnsMETHODE© für jeden Schritt der Problemlösungsarbeit spezielle Methoden zur Verfügung.

Diese reichen vom „Orientierungsflip“ im Schritt 1 bis zum „Abschlussblitzlicht“ im Schritt 6. So kann der Moderator im gesamten Arbeitsprozess die Aufmerksamkeit der Gruppe auf den jeweils aktuellen Punkt konzentrieren.

6. Einnehmen einer speziellen Grundhaltung

„Grundsätzlich kann man sagen, dass es sich auf die Leistung von Gesprächsgruppen positiv auswirkt, wenn sich der Gesprächsleiter als Fachmann für Wege und Abläufe und nicht als Experte für den Gesprächsinhalt versteht“ (Myhsok 1993, S. 98). Dies ergibt sich im Grunde bereits aus der Wortbedeutung und der daraus dem Moderator zukommenden Rolle. Er hat sozusagen „von Berufs wegen keine Meinung“ zu haben. In der Praxis ergeben sich aber unterschiedliche Situationen, und oftmals ist es gar nicht so einfach, diese neutrale „Moderatorenhaltung“ einzunehmen:

In der Besprechungs-Moderation mit klein(st)- en Gruppen am „runden“ Tisch ist dieses Merkmal situationsbedingt nicht gegeben; vgl. Seifert „Visualisieren Präsentieren Moderieren“

Eine ausführliche Darstellung der Einzeltechniken fürs Moderieren finden Sie in: Seifert „Visualisieren Präsentieren Moderieren“

Fall A: Der Moderator ist der (externe) neutrale Dritte

Dies ist die Idealbesetzung. Der Moderator kann problemlos die Moderatorenhaltung einnehmen, da er inhaltlich „keine Aktien“ hat.

Fall B: Der Moderator ist der Probleminhaber

In diesem Fall geht es nur über den Kompromiss der Doppelrolle. Der Moderator muss als „primus inter pares“ auch die Teilnehmerrolle wahrnehmen. Als äußeres Zeichen, in welcher Rolle er gerade agiert, kann er beispielsweise in der Moderatorenrolle stehen und in der Teilnehmerrolle sitzen (vgl. Seifert, Besprechungen erfolgreich moderieren). Inhaltlich muss er als (besonders konstruktives) Gruppenmitglied agieren und alle Beiträge gelten lassen, die aus der Gruppe und die eigenen. Je „heißer“ das Thema ist und je stärker er inhaltlich involviert ist, desto schwieriger wird es für ihn sein, sich um einen neutralen Dritten zu bemühen, den „klassischen“ Moderator.

Fall C: Der Moderator hat auch beratende Funktion

Moderation und (Fach-)Beratung schließen einander nicht grundsätzlich aus. Auch in der Rolle des Ratgebers kann man moderierend wirken. Der Moderator darf nur nicht selbst Partei werden, z.B. für den von ihm eingebrachten Vorschlag. Er hat auch hier, wie im Fall B, eine Doppelrolle zu spielen.

7. Nutzen einer speziellen Fragetechnik

Sich inhaltlich herauszuhalten und gleichzeitig den Arbeitsprozess einer Gruppe zu steuern, ist nicht aus einer „Besserwisser-“ oder „Sagehaltung“, sondern nur aus einer fragenden Haltung heraus zu bewerkstelligen. Das Beherrschen professioneller Fragetechniken ist daher unabdingbar für jeden Moderator (vgl. Seifert, Besprechungen erfolgreich moderieren). Die MODERATIOnsMETHODE© beinhaltet deshalb drei sich ergänzende Fragetechniken:

  • Offenes Fragen
  • Spiegelndes Fragen
  • Metamodell Fragen

Diese Fragetechniken dienen dazu, dem Moderator zu helfen, die geforderte spezielle Grundhaltung einzunehmen, sich inhaltlich herauszuhalten und stattdessen die Vorstellung, das Wissen, … der Gruppenteilnehmer für den gemeinsamen Arbeitsprozess nutzbar zu machen.

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Die Literatur zu dieser Ausgabe:

  • Lay, Rupert: Führen durch das Wort, Wirtschaftsverlag Langen-Müiier/ Herbig, 2. Auflage München 1978
  • Myhsok, Dieter: Gesprachsgruppen in Organi­sationen, Hartung-Gorre Verlag, 1. Auflage, Konstanz 1993
  • Seifert, Josef W.: Besprechungen erfolgreich mode­rieren, GABAL Verlag, 16. Auflage, Offenbach 2018
  • Seifert, Josef W.: Moderation & Kommunikation, GABAL Verlag, 10. Auflage, Offenbach 2018
  • Seifert, Josef W.: Visualisieren – Prasentieren – Moderieren, GABAL Verlag, 30. Auflage, Offenbach 2018
  • Troesser, Michael: Moderieren im Horfunk, Max Niemey­er Verlag, 1. Auflage, TObingen 1986
  • Ziegler, Albert: Wer moderieren will, muss Maß halten

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